2022: Mehlschwalbe

(Delichon urbicum)

Mit der Mehlschwalbe (Delichon urbicum) kürt die Vogelschutzorganisation BirdLife Österreich einen typischen Bewohner unserer Dörfer und Städte zum Vogel des Jahres 2022. Ihre bundesweiten Bestandszahlen haben sich in den letzten 20 Jahren auf etwa 17.500 Brutpaare halbiert. Menschenverursacht – durch Bodenversiegelung, Sanierungsmaßnahmen an Häusern, die intensivierte Landwirtschaft und immer weniger fliegende Insekten.

© Hans-Martin Berg

Beschreibung
Die kleine, gedrungene Schwalbe hat eine Länge von knapp 13 cm. Ihr Körper ist schlank und stromlinienförmig mit langen, schmalen Flügel. Sie besitzt ein auffälliges, mehlweißes Bürzelfeld (=Schwanzwurzel), ihr Rücken dagegen ist blau-, ihre Flügel sind braunschwarz. Die kurzen Beine und Füße wiederum sind weiß befiedert. Der Schwanz ist gegabelt, doch ohne Schwanzspieße. Jungen Mehlschwalben fehlt noch der metallische Glanz im Gefieder und sie sind insgesamt grauer gefärbt. Der Ruf ist "tsrr" oder bei Alarm schrill "sier", der Gesang ist ein leises, schwatzendes Zwitschern oder Leiern, nicht so abwechslungsreich wie das der Rauchschwalbe.

Lebensweise
Ab Ende März kehrt diese Schwalbenart aus ihrem afrikanischen Winterquartier zurück, wohin sie dann wieder ab Mitte September zieht. An nahe gelegenen Gewässern suchen sie Nahrung und Nistmaterial. Die Nester sind aus Lehmkügelchen zusammengesetzt. Gebrütet wird zweimal jährlich. Es werden je drei bis fünf reinweiße Eier gelegt, welche beide Eltern 12 bis 15 Tage ausbrüten. Die Nahrung besteht aus kleinen Fluginsekten, die in fliegender Jagd im offenen Gelände und oft in großer Höhe erbeutet werden. Die Jungen bekommen vor allem Blattläuse, Mücken, Fliegen und Eintagsfliegen.
Die Mehlschwalbe fliegt nicht so pfeilschnell und wendig wie die Rauchschwalbe, eher flatternd mit oft langer Gleitphase.

 

Lebensraum und Verbreitung
Die Mehlschwalbe ist eine der häufigsten Brutvogelarten Europas und von Nordwestafrika und Westeuropa bis nach Nordchina und Sibirien, in den Himalaya und die Mongolei verbreitet. Die europäischen Mehlschwalben überwintern in Afrika südlich der Sahara bis zur Kapprovinz.
Ursprünglich brüteten Mehlschwalben an steilen Felsen der Gebirge und an Klippen an der Küste, heute dagegen in Kolonien in offener Landschaft, vorwiegend im Siedlungsbereich. Geeignete Standorte für Nester bilden senkrechte, vegetationsfreie Wände mit ausreichender Überdachung und freiem Anflug. Der Großteil der Nester befindet sich daher an der Außenseite von Gebäuden, meist an der Dachunterkante, unter Balkonen oder anderen Mauervorsprüngen.

Ähnliche Arten
Am Gegensatz zwischen schwarzer Oberseite und kontrastreich abgesetztem kreideweißen Bürzel lässt sich die Mehlschwalbe unschwer klassifizieren. Bei flüchtigem Blick kann sie für eine Rauchschwalbe gehalten werden. Deren Physiognomie ist jedoch wenig gedrungen und der Schwanz ist stärker gegabelt. Mehlschwalben fehlen außerdem die für Rauschwalben typischen Schwanzspieße.

© Michael Luger

Gefährdung und Schutz
Die Mehlschwalbe ist innerhalb der Roten Listen auf der Vorwarnliste vermerkt. In Österreich ist sie ein sehr häufig anzutreffender Brutvogel, doch sind die Bestandszahlen stark im Abnehmen begriffen. Die Ursachen hierfür sind der Mangel Nistmaterial durch Bodenversiegelung und, allgemein, die Intensivierung der Landwirtschaft. Als Gegenmaßnahmen empfehlen sich die Bewahrung und Wiederherstellung naturnaher Strukturen in Ortschaften, vor allem unversiegelter Flächen, und die Erhaltung von Gewässern.
Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden, das absichtliche Entfernen der geschützten Nester oder das bewusste Verhindern des Nestneubaus durch Spikes oder spezielle Fassadenanstriche erschwert das Überleben der Schwalben in den Siedlungen. Im Offenland bietet die zunehmend intensivierte Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, der Rückgang der Weidewirtschaft, der Einsatz von Pestiziden sowie der immense Rückgang fliegender Insekten ebenso schlechte Überlebensvoraussetzungen. Durch die fortschreitende Versiegelung der Stadtrandgebiete oder ländlicher Wege und Dorfplätze finden Schwalben weder Pfützen noch Lehm für ihren Nestbau vor. Heutzutage ist es schon fast eine Besonderheit, wenn man Schwalben als Mitbewohner beherbergen darf – und das obwohl Schwalben seit jeher als Glücksbringer gelten!

Wissenswertes
„Zu Maria Geburt fliegen die Schwalben furt – zu Maria Verkündigung kommen sie wiederum.“ Als unmittelbare Nachbarn des Menschen wurden Abflug und Ankunft der Schwalben genau beobachtet und im Jahreskreis verankert. Umso trauriger ist es, dass sie heutzutage eher als Quelle der Verschmutzung denn als Quelle der Freude angesehen werden! Dabei kann man sich vor den ungewünschten Hinterlassenschaften der Schwalben ganz leicht durch Kotbrettchen schützen, die unterhalb der Nester angebracht werden. Wer nicht tatenlos zusehen will, dass die Mehlschwalben rund ums eigene Haus verschwinden, kann Lehmpfützen anlegen, Kunstnester anbringen sowie seinen Garten pestizidfrei und insektenfreundlich gestalten. Während einer Schlechtwetterperiode, wenn das Nahrungsangebot knapp wird, kann die Mehlschwalbe seine Körpertemperatur sehr tief absenken, in eine Art Starre verfallen und damit 70 Prozent der Stoffwechselenergie einsparen.

Literaturhinweise
HAYMAN P., HUME R.: Die Vögel Europas, Stuttgart, 2004
SINGER D.: Welcher Vogel ist das?, Stuttgart, 2002
SVENSSON et. al., Der neue Kosmos Vogelführer, Stuttgart, 1999
ZULKA P. et. a.: Rote Listen gefährdeter Tiere Österreichs, Teil 1, Hrg. Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Wien, 2005.

Sämtliche Inhalte (Fotos ausschließlich mit Copyright) dürfen für Berichte über die Arten des Jahres verwendet werden. Wir freuen uns über ein Belegexemplar!

 

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