Ein junger Zufallssämling aus Oberösterreich wurde vom Verein Streuobst Österreich zur Streuobstsorte des Jahres 2026 gewählt. Damit soll gezeigt werden, dass auch heute – neben gezielt gezüchteten Sorten – der Zufall noch immer eine wichtige Rolle bei der Entstehung neuer Apfelsorten spielt.
Bis zum späten 18. Jahrhundert entstanden nahezu alle gängigen Obstsorten durch natürliche Kreuzungen und Zufallssämlinge. Erst um 1770 begann man in Frankreich Sorten bewusst zu kreuzen, um die besten Eigenschaften zweier Elternsorten zu vereinen. Damit begann in Europa das goldene Zeitalter der Pomologie: Es wurde gesammelt, getauscht und gezüchtet, bis man gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der enormen Sortenfülle begann, die Vielfalt im Erwerbsobstbau zu reduzieren. Auch heute spielt die Züchtung – besonders beim Apfel – eine bedeutende Rolle: Sie zielt auf bessere Lagerfähigkeit, höhere Krankheitsresistenz oder optimierte Inhaltsstoffe, etwa zur Reduktion von Allergenen, ab.
Enge Verbindung von Natur und Kulturlandschaft
Trotzdem haben es immer wieder Zufallssämlinge geschafft, sich zu behaupten und bis heute zu bleiben. Bekannte internationale Beispiele sind der „Gravensteiner“, der schon seit 1669 bekannt ist oder der niederländische „Schöner aus Boskoop“. Auch in Österreich haben solche Naturfunde Geschichte geschrieben: Der „Kronprinz Rudolf“, um 1860 in der Steiermark entdeckt, geht auf einen zufällig aufgegangenen Baum zurück. Ebenso entstand der „Ilzer Rosenapfel“ vermutlich aus einem Wildsämling im Raum Ilz. Solche regionalen Entdeckungen zeigen, wie eng Natur und Kulturlandschaft miteinander verbunden sind.
Der „Traxleder Apfel“ als Zufallssämling
Der Name „Traxleder“ geht auf den Hausnamen einer Sölde – eines bäuerlichen Kleinstanwesens – in Edt, Gemeinde Kirchheim im Innkreis, zurück. Dort entstand der „Traxleder Apfel“ um das Jahr 1990 zufällig aus einem Kern. Molekulargenetische Untersuchungen in Südtirol konnten seine Elternsorten identifizieren: den „Berner Rosenapfel“ und den „Weißen Klarapfel“. Vom Berner Rosenapfel stammen die rote bis dunkelrote Schalenfarbe und vom Klarapfel die frühe Reifezeit – meist Mitte bis Ende August.
Einer der besten heimischen Tafeläpfel
Der Baum zeigt sich am Standort starkwüchsig, mit einer eher kugeligen Krone, ist anspruchslos und robust gegenüber Krankheiten, Frost und Schädlingen. Die Früchte beeindrucken durch ihre attraktive Färbung und eine oft ausgeprägte Fleischwulst in der Stielbucht – ein für Pomologen wichtiges Erkennungsmerkmal. Das Fruchtfleisch ist von herausragender Qualität, gekennzeichnet durch die besondere Saftfülle und den erfrischend säuerlich-süßen aromatischen Geschmack. Damit zählt der „Traxleder Apfel“ zu den besten heimischen Tafeläpfeln in diesem frühen Reifesegment.
Sinnbild für Streuobstkultur
Der Traxleder Apfel steht sinnbildlich für das, was Streuobstkultur ausmacht – Vielfalt, Regionalität und das wunderbare Zusammenspiel von Mensch und Natur. Mit der Wahl zur Streuobstsorte des Jahres 2026 setzt Streuobst Österreich ein Zeichen für die Bedeutung genetischer Vielfalt und den Wert traditioneller Streuobstbestände, in denen auch heute noch die Zufälle von morgen reifen.
Pomologische Beschreibung
Synonyme, Herkunft, Verbreitung
Zufallssämling aus Kirchheim im Innkreis; um 1990 entstanden; in Oberösterreich selten vorkommend;
Frucht
Fruchtmuster: ca. 35-jähriger Hochstamm; Gemeinde Kirchheim/Innkreis;
Größe: groß, seltener mittelgroß, 61-73 mm hoch, 69-76 mm breit, 128-182 g schwer
Form: kugelig, teils langstumpfkegel- bis kurzstumpfkegelförmig, mittel- bis gering stielbauchig, teils ungleichhälftig; Querschnitt rundlich bis unregelmäßig rund; Relief glatt bis gering kelchrippig;
Schale: glatt, glänzend, teils sehr dünn weißlich bis hellblau bereift, mitteldick, mittelzäh, gering duftend; Grundfarbe hellgrünlichgelb bis hellgelb; Deckfarbe rot bis dunkelrot, meist deckend, teils seltener verwaschen und darüber dunkler rot diffus gestreift bis geflammt, Deckungsgrad 50-90 Prozent; Lentizellen zahlreich, klein bis mittelgroß, vertieft, bräunlich, breit hellgrau umhoft, auffällig; teils gering schorffleckig;
Stielbucht: tief bis mitteltief, mittelbreit, meist sortentypisch durch seitliche Fleischwulst eingeengt, vereinzelt hellgraubraun durchscheinend kurzstrahlig berostet; Rand häufig wulstig, teils glatt;
Stiel: mittellang (13 bis 31 mm), mitteldick, hell graugrün bis graubraun, holzig bis gering fleischig, oft knopfig, teils knospig, häufig durch Fleischwulst zur Seite gedrückt;
Kelchbucht: flach bis mitteltief, eng, oft faltig bis geperlt; Rand fein- bis grobrippig;
Kelch: mittelgroß, geschlossen; Blättchen aufrecht, mittellang, schmal, hellgrün, an der Basis meist vereint; Spitzen oft grau, kurz zurückgebogen;
Kelchhöhle: mittelgroß; teils kegel-, teils trichterförmig mit mittelbreiter mittellanger Röhre
Kerngehäuse: mittelgroß, mittelständig; Achse hohl; Kammern mittelgroß, schlitzartig offen; Wände sichelförmig, gerissen; viele Kerne, mittelgroß, oval bis länglich oval, hellbraun bis braun, mittelgut ausgebildet; Gefäßbündel im Längsschnitt hoch zwiebel- bis herzförmig;
Fleisch: cremefarben, teils hellgelblichweiß, mittelfest, mittelfeinzellig, sehr saftig, erfrischend säuerlich-süß, aromatisch, ohne sortenspezifische Würze; Zuckergehalt: 43-51° Oechsle; 9,8-10,5° KMW; 10,2-12,0° Brix
Erntereife: Mitte bis Ende August
Genussreife: Mitte August bis September
Baum
Wuchs: stark; Krone auf Sämling kugelig;
Sonstige Eigenschaften: relativ robust, anspruchslos;
Verwendung
Tafel, Küche
Text: Siegfried Bernkopf, ARGE Streuobst
Ernenner: ARGE Streuobst Österreich, https://www.argestreuobst.at/
Auskunft Bäume, Edelreiser: Klaus Strasser
Infos zu weiteren Streuobstsorten des Jahres: https://www.streuobst.at/news
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