2023: Eiserner Kanzler

  • Herkunft bis heute nicht vollständig geklärt
  • „kernechte“ Streuobstsorte
  • als eine der seltenen Pfirsichsorten Österreichs besonders schützenswert


Streuobstbestände sind vielfältige und unersetzliche Lebensräume in unserer Kulturlandschaft. Im Streuobstanbau wird die traditionelle Obstsortenvielfalt erhalten und er liefert wertvolles Tafel- und Verarbeitungsobst. Mit der „Streuobstsorte des Jahres“ wird eine Sorte stellvertretend für alle gefährdeten Obstarten ins Rampenlicht gerückt. Die Pfirsichsorte „Eiserner Kanzler“ ist Botschafterin der Vielfalt 2023. Die „Streuobstsorte des Jahres“ ist eine Initiative der ARGE Streuobst, der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Streuobstbaus und zur Erhaltung obstgenetischer Ressourcen.

© Siegfried Bernkopf

Historisches
Herkunft und Entstehung der Pfirsichsorte „Eiserner Kanzler“ liegen im Dunkeln. Sie tauchte erstmals gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Norddeutschland auf und wurde 1896 als Neuheit bezeichnet. Wann genau sie nach Österreich kam, konnte noch nicht eruiert werden. Tatsache ist, dass sie seit etwa 1960 vereinzelt in österreichischen Baumschulen angeboten wird. Sie gilt zusammen mit „Kernechter vom Vorgebirge“, „Roter Ellerstädter“ und „Proskauer Pfirsich“ als sogenannte „Kerngehersorte“.

Viele GartenbesitzerInnen setzen auf die generative Vermehrung solch „kernechter“ Sorten, in dem sie die Fruchtsteine aussäen und die Sämlinge großziehen. Man geht davon aus, dass diese Sorten weitgehend selbstfruchtbar sind und die Früchte der Sämlinge in ihren wesentlichen Eigenschaften jenen des Mutterbaumes gleichen.

Beschreibung
Den Pfirsich „Eiserner Kanzler“ findet man in Österreich meist als Wandspalier. Baumschulbäume weisen je nach verwendeter Unterlage (St. Julien, Hauszwetschke, Wangenheimer, Pfirsichsämling, etc.) mittelstarken Wuchs mit eher schwächeren Leitästen auf. Der Baum gilt als robust (z. B. winterhartes Holz) und nur gering anfällig für Krankheiten (z. B. Kräuselkrankheit). Die hell gelblichweißen und sonnseitig roten Früchte reifen Mitte bis Ende August. Sie sind je nach Standortbedingungen, Baumalter und Behang mittelgroß bis groß, mittelstark duftend, weiß-fleischig, sehr saftig und mit ausgeprägtem aromatischem Pfirsichgeschmack. Ein besonderes Kennzeichen ist die wollartige Behaarung der Fruchthaut.

In Anbetracht der ohnedies geringen bzw. zunehmend gefährdeten Vielfalt bei den heimischen Pfirsichsorten und der vorteilhaften Eigenschaften hat sich die ARGE Streuobst entschlossen, die Sorte „Eiserner Kanzler“ als Streuobstsorte des Jahres 2023 bekannt zu machen und für ihre Erhaltung zu sorgen.

Edelreiser der Sorten können über den Obstsortenerhaltungsgarten Ohlsdorf OSOGO bezogen werden (Verein OSOGO, Klaus und Gabi Strasser, Email: osogo@gmx.at, www.osogo.at)

Autor und Kontakt: Dr. Siegfried Bernkopf, E-Mail: siegfried.bernkopf@aon.at
Text: S. Bernkopf & C. Holler

© Siegfried Bernkopf

Pomologische Beschreibung

Synonyme: „Chancelier de Fer"

Herkunft, Verbreitung: Herkunft unbekannt; in Österreich früher häufiger, jetzt aber eher selten anzutreffen

Frucht (von ca. 19-jährigem Viertelstamm Wandspalier, Gemeinde Helfenberg, Mühlviertel, OÖ)

Größe: mittelgroß; 52,0 bis 55,4 mm hoch; 51,1 bis 57,3 mm breit; 53,4 bis 57,8 mm dick; 74,3 bis 102,0 g schwer

Form: Seitenansicht: rund; Vorderansicht: breit oval, teils gering ungleichhälftig; Naht auffällig, mäßig bis seltener mittelstark eingefurcht; Stempelpunkt sehr klein, grau, meist auf schmaler Wulst in mitteltiefem Grübchen aufsitzend

Fruchthaut: stark wollig, dick, zäh, schlecht abziehbar, mittelstark duftend; Grundfarbe hell gelblichweiß bis vollreif hellgelblich; Deckfarbe rot bis braunrot verwaschen, sonnseitig teils deckend, Deckungsgrad 30 bis 70%

Stielbucht: tief, eng; nahtseitig gering eingesenkt

Fruchtfleisch: hell gelblichweiß, weich, sehr saftig; mild säuerlich-süß, gering bis mittelstark sortentypisch gewürzt; mittelgut steinlösend; Zuckergehalt: 9,9 bis 11,3°KMW; 48 bis 55°Oechsle; 11,3 bis 12,9°Brix

Fruchtstein: mittelgroß; Länge: 31,5 bis 35,0 (ø 33,5) mm; Breite: 17,4 bis 19,8 (ø 18,5) mm; Dicke: 23,9 bis 26,8 (ø 25,6) mm; Seitenansicht:  breit oval; stempelseitig mit mittelstark ausgezogener Spitze; Oberfläche mittelstark gelocht bis gefurcht; Vorderansicht: mittelbauchig; Bauchwulst mittelbreit bis schmal, mehrfach gefurcht, mittelstark hervortretend; Rückenansicht:  Ränder der Rückenfurche stark gesägt

Reifezeit: mittelspät, am Standort Helfenberg Mitte bis Ende August

Verwendung: Tafelfrucht, Küche, Schnaps

Blüte: mittelspät

Baum: Wuchs mittelstark, widerstandsfähig (Frost, Krankheiten)

Literatur:

Anonym: Gartenflora – Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde, Bd 45, S. 23, Berlin 1896

Schaal, Gustav: Stein-, Beeren- und Schalenobst, S. 8, Stuttgart 1930

 

Sämtliche Inhalte (Fotos ausschließlich mit Copyright) dürfen für Berichte über die Arten des Jahres verwendet werden. Wir freuen uns über ein Belegexemplar!

 

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