2021: Halsband-Ritterling

(Tricholoma focale)

Mit dem Halsband-Ritterling macht die Österreichische Mykologische Gesellschaft auf einen sehr seltenen, an trocken-sandige Föhrenwälder gebundenen und bei uns vom Aussterben bedrohten Mykorrhizapilz aufmerksam.

© KF Reinwald
Beschreibung
Der Halsband-Ritterling bildet große stämmige Fruchtkörper aus. Sein Hut kann bis zu 15 cm breit werden, hat eine orangebraune bis kupferrote Farbe (in der Hutmitte am dunkelsten) und ist vor allem bei feuchterem Wetter schmierig. Seine Oberfläche ist eingewachsen-faserig und oft geflammt erscheinend, der Rand lange umgebogen-eingerollt und ungerieft. Die relativ dicht stehenden Lamellen sind weiß bis gelblich und flecken im Alter mehr oder weniger rostbraun. Sie sind wie für die Ritterlinge typisch um den Stiel ausgebuchtet (Burggraben) angewachsen. Der volle Stiel kann bis zu 8 cm lang und 4 cm breit werden. Er trägt einen aufsteigenden, häutigen, zerschlissenen Ring (Halsband!), ist oberhalb desselben weiß und unterhalb rotbraun-ziegelrot und mit sparrig abstehenden Schuppen besetzt (gestiefelt). Der Ring kann im Alter verschwinden. Die Stielbasis ist tendenziell eher zugespitzt. Charakteristisch ist der stark mehlig-gurkige Geruch und der milde Geschmack des weißen kompakten Fleisches, der bei älteren Exemplaren etwas bitter werden kann.
Die 4-6 x 3-4 µm großen Sporen sind ellipsoid und glatt. Die Huthaut besteht aus einer Ixokutis (Schleimschicht). Zystiden und Schnallen an den Hyphensepten fehlen. Der Pilz soll bei Verzehr gastrointestinale Probleme verursachen, nach anderen Meinungen sei er essbar. Aufgrund seiner Seltenheit sollte er aber ohnedies auf jeden Fall geschont werden!

Lebensweise
Der überaus seltene Pilz wächst vor allem in naturbelassenen und nährstoffarmen trocken-sandigen Föhrenwäldern, bevorzugt über Kalkböden. Anzutreffen ist er von August bis November. Er ist ein Mykorrhiza-Pilz und fruchtet in kollin-montanen Lagen mit eher kontinental ausgeprägtem Klima. Als Begleitpilze des Halsband-Ritterlings konnten z.B. der Frost-Schneckling (Hygrophorus hypothejus), der Spangrüne Reizker (Lactarius semisangifluus), der Orangegezonte Edel-Reizker (Lactarius deliciosus) und diverse Trompeten-Pfifferlinge (Gattung Craterellus) beobachtet werden. Aus Deutschland sind ganz vereinzelt auch Funde in anderen Nadelwäldern (Funde bei Fichte oder Tanne) bekannt.

Verbreitung
Der Halsband-Ritterling ist in Europa vom Mittelmeergebiet bis in die Arktis verbreitet, aber überall selten und seit einigen Jahrzehnten stark rückläufig. In den meisten europäischen Ländern wird der Pilz auf der Roten Liste entweder als RL1 (vom Aussterben bedroht) oder als RL2 (stark gefährdet) eingestuft.
Etwas zahlreicher dürften hingegen die Funde der Art in den USA und hier insbesondere an der Westküste sein, wie Fundmeldungen auf Datenbanken wie <inaturalist.org> bzw. <mushroomobserver.org> zeigen.
Länder mit sicheren Fundmeldungen: Österreich, Deutschland, Ungarn, Tschechien, Polen, Estland, Lettland, Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Niederlande, Frankreich, Spanien (inklusive Kanaren), Andorra, Italien, Slowenien, Rumänien, Russland, USA, Kanada und Mexiko (https://www.gbif.org/occurrence/search).
Funde in Österreich: In Österreich wurde der Pilz an ganz wenigen Standorten in Niederösterreich, Kärnten, Tirol und der Steiermark dokumentiert, wobei neuere Funde nur aus Niederösterreich und 2020 in Kärnten bekannt geworden sind. Der einzige dokumentierte Fund in der Steiermark liegt zum Beispiel bereits 45 Jahre zurück.

© Irmgard Krisai Greilhuber
Gefährdung
Der Halsband-Ritterling ist in seiner Existenz an eher nährstoffarme naturbelassene Föhrenwälder oder Mischwälder mit Föhreneinsprengungen auf trocken-sandigem Boden im kollin-montanen Bereich angewiesen. Derartige Habitate sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend unter Druck geraten. Von der Forstwirtschaft wurde über lange Zeit die Fichte gegenüber der Rotföhre bevorzugt. Weiters kommt durch die fortschreitende Klimaerwärmung mit zunehmend ausgeprägten sommerlichen Dürre- und Hitzeperidoden selbst die relativ trockenheitsresistente Rotföhre an den Randbereich ihrer ökologischen Anpassungsfähigkeit.
Verstärkt wird diese Situation durch das Auftreten von Neomyceten, die eine Föhren-Nadelbräune verursachen (Dothistroma-Nadelbräune) bzw. durch die Lecanosticta-Krankheit, verursacht durch den Schlauchpilz Mycosphaerella dearnessii. Wie für alle Pilze, die an oligotrophe (nährstoffarme) Standorte gebunden sind, wirkt sich auch der anthropogene Stickstoffeintrag (z.B. NO2-Emissionen aus Verbrennungsmotoren, landwirtschaftliche Stickstoffquellen) in die Wälder ungünstig aus.
Die Dokumentation der aktuellen Pilzvorkommen beruht weitgehend auf dem Engagement einiger ambitionierter, ehrenamtlich tätiger Pilzfachleute. Wir müssen annehmen, dass viele Standorte von bemerkenswerten Pilzarten wie dem Halsband-Ritterling vernichtet wurden, ohne dass sie jemals dokumentiert werden konnten.

Schutzmaßnahmen
Eine schonende forstwirtschaftliche Waldnutzung durch Einzelbaumentnahmen anstatt von Kahlschlägen kann die Gefährdung der wenigen Vorkommen des Halsband-Ritterlings reduzieren. Weiters wäre es wichtig auch die Rotföhre auf geeigneten Standorten in ihrer Verbreitung zu fördern. Generell wäre wünschenswert, wenn die Forstbewirtschaftung wieder auf ein schonenderes Maß zurückkehren könnte. Auch das lokale Verständnis für die Lebensgrundlagen der Pilze muss weiterentwickelt werden. Eine Sensibilisierung für gefährdete Pilze sollte daher zu den Aufgaben des behördlichen Naturschutzes zählen.

Verwechslungsmöglichkeiten
Der Halsband-Ritterling verfügt über sehr charakteristische Merkmale und könnte auf den ersten Blick am ehesten mit dem häufiger vorkommenden ebenfalls in Mykorrhiza mit Föhren wachsenden Orangeroten Ritterling (Tricholoma aurantium) verwechselt werden. Der Orangerote Ritterling hat aber im Gegensatz zum Halsband-Ritterling nur eine angedeutete Ringzone, schmeckt bitter und ist deutlich intensiver in Richtung Orange gefärbt. Der ebenfalls seltene Krokodil-Ritterling (Tricholoma matsutake) - neben dem Halsband-Ritterling einer der wenigen bei uns vorkommenden Ritterlinge mit Velum und ausgeprägter Ringzone - hat hingegen einen trockenen Hut und unterscheidet sich auch in Farbgebung und Geruch ganz wesentlich vom Halsband-Ritterling.
Der Halsband-Ritterling ist ein Beispiel dafür, dass auch ein auffälliger in vielen populären Pilzbüchern abgebildeter Blätterpilz in seiner Existenz gefährdet sein kann. Generell gilt auch für diesen Pilz, dass Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität und Biotopschutz auch dem Artenschutz dienen.
 
Quellenverzeichnis:
Dämon, W., Krisai-Greilhuber, I., 2017: Die Pilze Österreichs. Verzeichnis und Rote Liste 2016.
ÖMG (Österreichische Mykologische Gesellschaft) 2017: Datenbank der Pilze Österreichs. Bearbeitet von Dämon, W., Hausknecht, A., Krisai-Greilhuber, I. [http://www.austria.mykodata.net].
 
Text: Christian Apschner, Gerhard Koller, Irmgard Krisai-Greilhuber. Bilder: I. Krisai-Greilhuber, K. F. Reinwald. Das Bildmaterial darf im Rahmen der Berichterstattung zum Pilz des Jahres 2021 und mit Nennung der Bildquelle unentgeltlich verwendet werden. Wir bitten Sie um ein Belegexemplar.
 
Der gefährdete Pilz des Jahres 2021 für Österreich wurde von der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft ernannt.

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