Mit dem Nördlichen Stachelseitling macht die Österreichische Mykologische Gesellschaft auf einen vom Aussterben bedrohten Stachelseitling aufmerksam. Der seltene Nördliche Stachelseitling wird auch Riesen-Stachelseitling genannt. Im Unterschied zu Porlingen trägt er auf der Hutunterseite Stacheln. Als Substrat benötigt er mächtige alte Laubbäume. Er ist weit verbreitet, jedoch aufgrund seines speziellen Habitatanspruches überall selten. Er entwickelt einen einjährigen Sammelfruchtkörper, der aus vielen, dachziegelartig übereinander wachsenden Einzelfruchtkörpern besteht. Die Hutoberseite ist striegelig, die Unterseite trägt feine, sehr dicht stehende Stacheln.
Der Stachelseitling kann sehr groß werden. Er wächst durch Stammwunden und Astlöcher ins Holz der Bäume ein und lebt als Saprobiont im Stamminneren. Er erzeugt im Holz eine intensive Weißfäule. In Österreich ist diese Pilzart besonders durch das frühzeitige Abholzen von Laubbäumen, bevor diese ein hohes Alter erreichen können, stark gefährdet.
Beschreibung
Die einjährigen Fruchtkörper des Nördlichen Stachelseitlings sind wie bei den Porlingen konsolenförmig und dachziegelig übereinander wachsend (sie formen stiellose Büschel) und werden 30-60 (-120) cm hoch, 20-30 cm breit und an der Basis bis zu 7 cm dick. Dadurch ist der Pilz oft schon von weitem sichtbar und immer wieder eine imposante Augenweide, wenn er etwa auf Augenhöhe oder darüber an einem stehenden Stamm beobachtet werden kann. Die Farbe rangiert von weißlich über blassgelb bis strohfarben, beim Eintrocknen kann er auch bräunen. Die Einzelhüte sind jung relativ dick, später mit eher scharfem Rand, oberseits filzig behaart (der Filz verkahlt mit zunehmendem Alter) und können 5-15 cm Durchmesser erreichen. Der Pilz erinnert an den Nordischen Porling (Climacocystis borealis) mit dem Unterschied, dass der Nördliche Stachelseitling Stacheln ausbildet und der Nordische Porling eine Porenschicht. Die Stacheln sind etwa 1-2,5 cm lang und haben die gleiche Farbe wie der Hut. Der Geruch ist unbedeutend bis säuerlich-herb (auch aromatisch, beim Trocknen allerdings in ranzig umschlagend), der Geschmack des gezonten zähen gilbenden Fleisches ist jung mild, dann bitter oder unangenehm werdend. Die Sporenpulverfarbe ist weiß.
Lebensweise
Der Stachelseitling lebt schwächeparasitisch und saprob im Inneren von Bäumen und verursacht Weißfäule. Er wächst gerne in offenen Wald- und Parkgesellschaften oder auf Friedhöfen sowie entlang von Alleen, sowohl an umgebrochenen wie auch noch stehenden Laubbäumen (Eiche, Buche, Rosskastanie, Ahorn, Pappel, Linde, Birke, Erle, Weißdorn, Hasel, Ulme, Mehlbeere, Ahlkirsche), selten auch an Tanne. Ist der Wirt abgestorben, vermag der Pilz trotzdem noch einige Jahre weiter Fruchtkörper auszubilden. Frische Fruchtkörper werden von Juli-September gebildet, überständig findet man sie ganzjährig. Er bevorzugt tendenziell wärmere trockene Standorte von der Ebene bis in die Mittelgebirge. Außerdem scheint er Kulturfolger zu sein und eher kontinentales Klima zu benötigen.
Verbreitung
Die Art dürfte auf der gesamten Nordhalbkugel vorkommen. Funde außerhalb Europas sind aus Kanada, den nordöstlichen USA, China und Japan bekannt. Funde von den Philippinen und aus Malaysia und Singapur sind wohl einer anderen Art zuzuordnen. In Europa findet man ihn von Skandinavien (Schweden, Finnland, Norwegen, Dänemark) über Mittel- und Westeuropa (Deutschland, Belgien, Tschechien, Slowakei, Polen, Österreich, Frankreich) bis nach Südeuropa (Spanien, Kroatien, Slowenien, Serbien) sowie auch in den östlichen Teilen (Estland, Russland, Kasachstan).
Funde in Österreich
Bekannt sind Funde aus allen Bundesländern mit Ausnahme des Burgenlandes. Außer in Wien mit vier Fundstellen und in der Steiermark und Vorarlberg mit je zwei benachbarten Fundstellen sind aber alle Einzelfunde, weit verstreut (Lechtaler Alpen, Karwendel, Gesäuse, Rothwald, Wienerwald) und meistens auch schon länger her. Die Spannweite der Funde reicht von 1879 (!) (Salzburg-Stadt) bis 2017 (Wien, pers. Fund).
Gefährdung
Der Nördliche Stachelseitling ist in europäischen Roten Listen geführt: z. B. Deutschland (1 – vom Aussterben bedroht), Österreich (stark gefährdet), Bayern (1 – Vom Aussterben bedroht).
Schutzmaßnahmen
Um ein vermehrtes Auftreten dieses schönen Stachelseitling zu fördern, ist folgender Maßnahmenkatalog anzustreben: die Ermöglichung der natürlichen Alterung von Laubbäumen, der Erhalt alter Bäume, besonders auch in städtischen und stadtnahen Waldbereichen und Alleen, der Erhalt und die Verbesserung naturnahen Lebensraumes, also Schutz möglichst naturnaher Fichten-Tannen-Buchenwälder, Eichenwälder u.a., sowie die schonende forstliche Bewirtschaftung unter ausreichender Belassung dicken Totholzes.
Verwechslungsmöglichkeiten
Wenn man auf die Stacheln an der Unterseite achtet, dann ist der Nördliche Stachelseitling höchstens mit weichfleischigen Stachelbärten wie Hericium erinaceus oder Creolophus cirratus verwechselbar. In Ostösterreich gibt es noch eine zweite, eher mediterran verbreitete Art, den Schönen Stachelseitling (Climacodon pulcherrimus) mit ähnlichem Besiedlungsmuster, aber dieser Pilz ist freudig gelb bis orange gefärbt, viel kleiner und nicht so dachziegelig wachsend.
Plattform „Österreichische Baumkonvention“ zukunft mit bäumen – bäume mit zukunft
Ausgehend von der Initiative der Stadt Wien – Abt. Umweltschutz setzt sich die Plattform „Österreichische Baumkonvention“ seit Jahren für den Erhalt von Bäumen in sämtlichen Altersstadien sowie die Bewusstseinsbildung hinsichtlich Gefahrensituationen und Konsequenzen bei überschießenden Baumfällungen ein. Eine der Hauptursachen für diese Fällungen ist, dass bei herabfallenden Ästen oder umstürzenden Bäumen die Baum- und Wegehalter Haftungsfolgen befürchten.
Um diese Initiative zu unterstützen wurde der Nördliche Stachelseitling als Bewohner alternder Bäume bewusst als Pilz des Jahres ausgesucht, um aus mykologischer Sicht auf die Problematik frühzeitiger Baumentfernungen hinzuweisen.
Wie so oft gilt auch für diesen Pilz: Biotopschutz = Artenschutz!