2023: Aufgeblähte Lorchel

  • kommt blass kaffeebraun, dunkelbraun oder satt rotbraun vor
  • wächst in naturbelassenen, relativ schattigen und nicht sehr feuchten montanen Nadelmischwäldern
  • vermutlich giftig


Mit der Aufgeblähten Lorchel macht die Österreichische Mykologische Gesellschaft auf einen sehr seltenen, meist jedoch nicht erkannten, an montane Nadelwälder mit Föhrenbestand gebundenen Mykorrhizapilz aufmerksam.

© Wolfgang Klofac

Beschreibung
Die Aufgeblähte Lorchel bildet große stämmige 1–5-zipfelig-lappige, in der Regel aber 3-zipfelige Fruchtkörper aus, und ist somit von großer Vielgestaltigkeit. Ihr Hut kann bis zu 9 cm breit und bei hohen einzipfeligen Exemplaren bis 12 cm hoch werden. Die Oberfläche ist hirnartig gewunden, stark und wirr runzelig-faltig. Die Farbe variiert von blass kaffeebraun nach dunkelbraun oder satt rotbraun. Der massive Strunk ist oft über 10 cm lang und über 5 cm dick, gefurcht-rippig bis grubig, besonders oben so wie der Hut mit großen Hohlräumen, rosacreme bis blass lachsrötlich, gegen die Basis in der Regel hell bläulich-violett, wobei die Farben oft ausblassen können.

Über die Essbarkeit des Pilzes ist keine Aussage zu treffen, aber da der Pilz nahe mit der giftigen Frühjahrs-Lorchel (Gyromitra esculenta) verwandt ist, muss er zumindest als giftverdächtig eingestuft werden. Aufgrund seiner Seltenheit sollte er ohnedies auf jeden Fall geschont werden!

Lebensweise
Der überaus seltene Pilz wächst im Frühjahr (bislang aus dem Mai bekannt) vor allem in naturbelassenen, relativ schattigen und nicht sehr feuchten montanen Nadelmischwäldern bei Föhre, allerdings an feuchtigkeitsbegünstigten Standorten wie Hohlweg- oder Straßenrändern, bevorzugt auf bodensaurem Silikat-Untergrund. Als Begleitpilze wurden die Frühjahrs-Lorchel (Gyromitra esculenta), Keilhütiger Glöckling  (Entoloma cuneatum), Milder Föhren-Zapfenrübling (Strobilurus stephanocystis), März-Schneckling (Hygrophorus marzuolus) und Wurzeltrüffel (Rhizopogon spp.) beobachtet.

Verwechslungsmöglichkeiten
Die Aufgeblähte Lorchel weist leider sehr wenige charakteristische Merkmale auf und kann am ehesten mit der häufigen, ebenfalls in Mykorrhiza mit Föhren und seltener anderen Bäumen wachsenden Frühjahrs-Lorchel mit stark hirnartig gewundenen Wülsten am Hut, sowie deren selteneren im Frühjahr vorkommenden verwandten Lorcheln verwechselt werden. Sie unterscheidet sich in typischen Exemplaren durch die zipfelige Hutform, die massiveren Fruchtkörper, und bläulich lila Tönungen am Stiel.  Die Bischofsmütze (Gyromitra infula) hingegen wächst im Herbst. Die mit mehrzipfeligen Hüten ähnliche Zipfel-Lorchel (Gyromitra fastigiata) kommt zwar ebenfalls im Frühjahr vor, wächst aber im Laubwald und hat deutlich längere Sporen mit Anhängseln an deren Enden.

Verbreitung
Die Aufgeblähte Lorchel ist nach Funden aus Europa beschrieben worden und gemäß der Originalbeschreibung aus Italien, sowie der alten Literatur zufolge auch aus Deutschland bekannt. Molekulargenetische Vergleiche zeigten auch Nachweise aus Estland und Finnland. Weitere Fundmeldungen gibt es aus Schweden, Japan und Nordamerika (USA, Kanada) (https://www.gbif.org/occurrence/search). Fundmeldungen diverser Lorcheln (Gyromitra spp.) in Datenbanken wie z. B. www.inaturalist.org lassen den Verdacht aufkommen, dass sich darunter fehlbestimmte Funde der Aufgeblähten Lorchel befinden.

Funde in Österreich
In Österreich wurde der Pilz an ganz wenigen Standorten in Niederösterreich, und zwar ausschließlich in der Buckligen Welt dokumentiert, wobei bei Funden zwischen 1944 und 1956 auf zeitweilige Massenvorkommen („bis zu 500 Exemplare“) hingewiesen wurde. Erst nach 57 Jahren, also vor 9 Jahren konnte die Art nach jahrzehnte- langen Wiederentdeckungsversuchen im genannten Gebiet wiedergefunden werden, Seitdem gelangen 2 weitere Funde in dieser Gegend, aber jeweils nur wenige Exemplare.

Gefährdung
An den präzise beschriebenen altbekannten Fundstellen konnten keine Neufunde getätigt werden, was zum Großteil an der Veränderung der Habitate lag; Kahlschläge bzw. die generelle Änderung der Waldbewirtschaftung, Forststraßenbau und die durch die fortschreitende Klimaerwärmung zunehmend ausgeprägten sommerlichen Dürre- und Hitzeperioden haben unzweifelhaft zur Zerstörung der Myzelien und somit zur Gefährdung des Fortbestandes der Art geführt, die außerdem wohl auf Grund der doch sehr lokalen Verbreitung auf ganz spezielle Standorte beschränkt zu sein scheint.

Natürlich handelt es sich bei der Aufgeblähten Lorchel um eine auch heute noch so gut wie unbekannte oder meist fehlinterpretierte Art, die nirgendwo in der neueren Literatur aufscheint, bzw. auch in der älteren Literatur nicht unterschieden, fehlbestimmt und unter falschem Namen abgebildet, oder wenn doch zitiert, mit diversen anderen Arten fälschlich synonymisiert wurde.

Umso wichtiger wäre es, nicht nur österreichweit, auf habituell von der Frühjahrs-Lorchel abweichende Kollektionen zu achten und diese zu dokumentieren. Wegen mangelnder Daten konnte die Aufgeblähte Lorchel in der Roten Liste der Großpilze Österreichs nicht ausgewertet werden. Mit weiteren Neufunden und aufgrund ihrer speziellen ökologischen Ansprüche an naturnahe Standorte sowie der leicht kenntlichen und kaum zu übersehenden Fruchtkörper wird die Art in die nächste Rote Liste sicher aufgenommen.

Schutzmaßnahmen
Generell zielführend wäre die Vermeidung von Kahlschlägen bzw. zu starker Auslichtung der Wälder in der Forstwirtschaft, besonders wegen der Durchforstung mit schweren Maschinen. Neben der dadurch verursachten direkten Schädigung der Böden, was im Weiteren durch intensivere Sonneneinstrahlung zu stärkerer Austrocknung der Böden führt, würde hier eine weitere Gefährdung der wenigen Vorkommen der Aufgeblähten Lorchel, aber auch der meisten Mykorrhizapilze ganz allgemein stattfinden. Bei Forstarbeiten zurück-gelassenes Holzmaterial hat bewiesenermaßen das Myzel der ersten Wiederentdeckung soweit geschädigt, dass die Art dort in der Folge nicht mehr beobachtet werden konnte, was darauf hindeutet, dass generell bestehende Myzelien empfindlicher Pilzarten aufgrund des plötzlich erhöhten Nährstoffeintrags zusätzlich negativ beeinflusst werden. Andererseits wäre auch eine Förderung der Rotföhre auf geeigneten Standorten wichtig.

Text und Bilder: Wolfgang Klofac.

Quellenverzeichnis
Klofac, W., Krisai-Greilhuber, I., „2019“, 2021: Gyromitra inflata, die Wiederentdeckung einer verschollenen oder fehlinterpretierten Art. – Österr. Z. Pilzk. 28: 93-106.

Krombholz, J. V., 1831-1846: Naturgetreue Abbildungen und Beschreibungen der essbaren, schädlichen und verdächtigen Schwämme. – Prag: J.G. Calve`schen Buchhandlung.

Österreichische Mykologische Gesellschaft, 2022‐laufend: Mykologische Datenbank. Bearbeitet von Krisai‐Greilhuber, I., Friebes, G. (Fortsetzung von Dämon, W., Hausknecht, A., Krisai‐Greilhuber, I.: Datenbank der Pilze Österreichs). – Mykologische Datenbank (pilzdaten‐austria.eu).

 

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