2022: Striegeliger Korkstacheling

(Hydnellum mirabile)

Mit dem Striegeligen Korkstacheling macht die Österreichische Mykologische Gesellschaft auf einen in Mitteleuropa nur von wenigen Fundstellen bekannten Mykorrhizapilz von Nadelbäumen aufmerksam.

© Gernot Friebes

Beschreibung
Die fleischigen, kreisel- bis polsterförmigen Fruchtkörper können 15 cm im Durchmesser erreichen. Sie zeichnen sich durch eine filzig-striegelige Hutoberfläche mit gelblichen Farbtönen, insbesondere am Hutrand, aus. Bei älteren Fruchtkörpern bzw. in der Hutmitte weichen diese Farben schließlich einem dunkleren Braunton. Auf der Hutunterseite befinden sich zahlreiche kleine zylindrisch-zugespitzte Stacheln bis abgeplattete Zähnchen von zunächst hellgrauer oder hellgelber und später bräunlicher Farbe aufgrund des braunen Sporenpulvers. Zur Basis sind die Fruchtkörper oft stielartig verjüngt, ein klar abgegrenzter Stiel fehlt in der Regel jedoch. Das Fleisch ist hell- bis dunkelbraun gefärbt, hat einen schwach adstringierenden Geschmack und mehlartigen Geruch. Die Konsistenz der Fruchtkörper ist relativ weich, aber dennoch zäh wie bei vielen anderen Korkstachelingen auch. Die Art wächst an ihren Fundorten gerne in größeren Gruppen bzw. Reihen und ist daher leicht zu entdecken.

Lebensweise
Der Striegelige Korkstacheling ist ein Mykorrhizapilz der Fichte und etwas seltener der Rot-Föhre. Er fruktifiziert im Sommer und Herbst in naturnahen, tendenziell basenreichen Nadelwäldern. In Österreich sind Funde in Höhenlagen von ca. 850 bis 1500 m bekannt. Im Gebiet der aktuellen steirischen Nachweise lässt sich eine Vorliebe dieser Art – und weiterer schützenswerter Mykorrhizapilze, darunter viele Stachelinge – für südexponierte Hänge beobachten, jedoch ist dies keine Voraussetzung, wie ein Nachweis vom „Sonnbühel-Nordhang“ in Kärnten zeigt.
Wälder mit Vorkommen des Striegeligen Korkstachelings sind oftmals Lebensraum für zahlreiche weitere seltene und gefährdete Pilzarten. Am Südhang des Schwarzkogels in der Weststeiermark konnten u. a. die folgenden bemerkenswerten Pilze im selben Waldgebiet festgestellt werden: Duftender Afterleistling (Aphroditeola olida), Finnischer Braunsporstacheling (Hydnellum fennicum), Grüngelber Korkstacheling (Hydnellum geogenium), Lundells Braunsporstacheling (Hydnellum lundellii), Wohlriechender Korkstacheling (Hydnellum suaveolens) und Großer Krokodil-Ritterling (Tricholoma matsutake). Bei der Nachsuche am Gressenberg, von wo es eine Fundmeldung aus dem Jahr 1987 gibt, konnten – neben dem Duftenden Afterleistling, dem Grüngelben und dem Wohlriechenden Korkstacheling sowie dem Großen Krokodil-Ritterling – zudem noch der Graue Rußporling (Boletopsis grisea) und der Glatte Braunsporstacheling (Sarcodon leucopus) nachgewiesen werden.

© Gernot Friebes

Verbreitung
Der Striegelige Korkstacheling ist in Europa durchaus weit verbreitet, jedoch in den meisten Regionen eine große Rarität. In Mitteleuropa kann er aufgrund der wenigen Fundstellen – und da er mit seinen auffälligen, oft in größerer Zahl wachsenden Fruchtkörpern kaum übersehen werden dürfte – als einer der seltensten Großpilze gelten. Er ist in Eurasien aus Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Tschechien gemeldet. Weitere Nachweise gibt es aus Nordamerika, jedoch sollte die Konspezifität dieses Materials überprüft werden. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in Skandinavien, insbesondere Schweden und Norwegen. In Mitteleuropa gibt es ungefähr 20–30 bekannte Fundstellen.

Funde in Österreich
Die einzigen bekannten Fundstellen liegen in Kärnten (Malta, Gmünd, Hüttenberg) und in der westlichen Steiermark (zwei Fundstellen im Koralmgebiet). Aktuelle Fundmeldungen (aus den letzten 10 Jahren) gibt es nur vom Schwarzkogel im Bezirk Deutschlandsberg (Steiermark). Dort werden seit 2014 jährlich mehrere aktive Myzelien beobachtet. Das Gebiet einer belegten Fundmeldung aus dem Jahr 1987 (Gressenberg, ebenfalls Bezirk Deutschlandsberg) wurde 2020 gezielt aufgesucht, erbrachte jedoch keinen neuen Nachweis des Striegeligen Korkstachelings, obwohl die Art am Schwarzkogel in diesem Jahr reichlich fruktifizierte. Da am Gressenberg jedoch zahlreiche weitere naturschutzfachlich relevante Mykorrhizapilze gefunden wurden, erscheint es durchaus möglich, dass in diesem Gebiet weiterhin aktive Myzelien des Striegeligen Korkstachelings existieren.

Verwechslungsmöglichkeiten
Die haarig-striegeligen Hüte mit gelblichen Farbtönen (zumindest in jungem Zustand) und das Vorkommen im Nadelwald sind charakteristisch für den Striegeligen Korkstacheling und lassen kaum eine Verwechslung mit einer anderen Art zu. Der Derbe Korkstacheling (Hydnellum compactum) kann auf den ersten Blick ähnlich aussehen, er wächst aber im Laubwald und hat eine filzige, nicht striegelige Hutoberfläche.

Gefährdung
Wegen mangelnder Daten wurde der Striegelige Korkstacheling in der Roten Liste der Großpilze Österreichs nicht ausgewertet. Aufgrund seiner speziellen ökologischen Ansprüche an naturnahe Standorte sowie der leicht kenntlichen und kaum zu übersehenden Fruchtkörper erscheint eine Aufnahme in die Rote Liste jedoch gerechtfertigt, wobei die Voraussetzungen für eine Mindesteinstufung als Kat. 2 (EN – stark gefährdet) erfüllt wären. In der Roten Liste der IUCN erfolgte eine Einstufung in der Kat. 3 (VU – gefährdet). Es wird dort von einem weltweiten Rückgang der Population berichtet, einhergehend mit dem Verlust naturnaher Wälder.

Eine große und direkte Gefährdung geht von lokalen forstwirtschaftlichen Eingriffen aus, da der Striegelige Korkstacheling auf ältere, naturnahe Fichten- und Fichten-Föhren-Wälder mit langer Kontinuität beschränkt ist. Die maschinelle Durchforstung dieser Wälder sorgt neben der direkten Schädigung der Böden durch die Maschinen für intensivere Sonneneinstrahlung und führt dadurch zur Ausbreitung krautiger Pflanzen und Gräser sowie zu stärkerer Austrocknung der Böden. Ähnliche Probleme ergeben sich beim Neu- bzw. Ausbau von Forststraßen in der Nähe von Fundstellen. Bei Forstarbeiten zurückgelassenes Ast-, Holz- und Rindenmaterial kann bestehende Myzelien empfindlicher Pilzarten aufgrund des plötzlich erhöhten Nährstoffeintrags zusätzlich negativ beeinflussen. Seit Standorte mit ehemals aktiven Myzelien des Striegeligen Korkstachelings und weiterer seltener Mykorrhizapilze am Schwarzkogel den beschriebenen forstlichen Eingriffen ausgesetzt wurden, konnten dort keine neuen Fruchtkörper mehr beobachtet werden – diese Standorte müssen möglicherweise als erloschen gelten.
Eine indirektere Gefährdung stellt der Nährstoffeintrag in Form von Luftstickstoff dar, da dieser auch in entlegene Gebiete gelangen kann. Eine Nährstoffanreicherung auf diesem Wege hat ebenfalls negative Auswirkungen auf empfindliche Mykorrhizapilze.
Aufgrund seines Verbreitungsschwerpunktes in der hemiborealen Zone bzw. in Nadelwäldern der höheren Lagen in der gemäßigten Zone ist zu erwarten, dass sich die fortschreitende Klimaerwärmung mit zunehmenden Trocken- und Hitzeperioden ebenfalls negativ auf die Population dieser Art auswirkt.

Schutzmaßnahmen
Die forstwirtschaftliche Nutzung von Waldgebieten mit Vorkommen des Striegeligen Korkstachelings sollte höchstens in Form von sorgfältiger und stark beschränkter Einzelstammentnahme erfolgen bzw. wäre eine kleinräumige Unterschutzstellung dieser Gebiete ideal. Zukünftige, regelmäßige Beobachtungen der vorhandenen Standorte können zu einem besseren Verständnis der exakten ökologischen Ansprüche des Striegeligen Korkstachelings führen und dadurch auch die Entdeckung möglicher neuer Standorte erleichtern. Gezielte Nachuntersuchungen der Gebiete mit älteren Nachweisen wären wünschenswert. Da der Striegelige Korkstacheling seine Standorte oft mit vielen weiteren seltenen und schützenswerten Mykorrhizapilzen teilt, kommt ihm eine besonders hohe naturschutzfachliche Relevanz zu.

Text: Gernot Friebes

Quellenverzeichnis
Dämon, W., Krisai-Greilhuber, I., 2017: Die Pilze Österreichs. Verzeichnis und Rote Liste 2016. – Wien: Österreichische Mykologische Gesellschaft.
Friebes, G., Gallé, A., 2020: Ergänzungen zur Funga der Steiermark 2. – Joannea Botanik 17: 5–28.
Hrouda, P., s.d.: Hydnaceous fungi in Central Europe with special regard to the Czech Republic and Slovakia. https://www.sci.muni.cz/botany/mycology/hydna.htm
Hydnellum mirabile (Fr.) P. Karst. in GBIF Secretariat (2021). GBIF Backbone Taxonomy. Checklist dataset https://doi.org/10.15468/39omei accessed via GBIF.org on 2021-05-31.
Nitare, J., 2015: Hydnellum mirabile. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T70408415A70408439. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2015-4.RLTS.T70408415A70408439.en
Österreichische Mykologische Gesellschaft, 2021-laufend: Mykologische Datenbank. Bearbeitet von Krisai-Greilhuber, I., Friebes, G. (Fortsetzung von Dämon, W., Hausknecht, A., Krisai-Greilhuber, I.: Datenbank der Pilze Österreichs). – Mykologische Datenbank (pilzdaten-austria.eu)

 

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