Über 5000 Menschen haben die Online-Initiative «Rheinraus!» unterschrieben. Sie wollen den Natur-Rhein und dies trotz der Nutzungskonflikte bei der Landwirtschaft und beim Grundwasser. Am Mittwoch, 14. September 2016 haben die Umweltverbände der obersten Rheinkommission die gewichtigen Ja-Stimmen übergeben, mit der Bitte auch die breite Bevölkerung ernst zu nehmen; und eben nicht den Mini-Rhein zu planen.
Umweltverbände stellen keine Maximalforderung
Das Damoklesschwert «Hochwasser-Katastrophe» schwebt über den Rheintalern zwischen Oberriet und Fussach. Würden heute die maroden Dämme brechen, stünden einzelne Gebiete bis neun Meter unter Wasser – und noch weit höher, wenn sich die Klimaprognosen bewahrheiten. Ein viel breiteres Flussbett zur Ableitung der Wassermassen wäre die Lösung. Das Schutzdefizit ist auch Auslöser des Projektes Rhesi (Rhein Erholung Sicherheit). Gleichzeitig sind die Gewässerschutzziele zu erfüllen. Das Gewässerschutz- und Wasserbaugesetz der Schweiz setzen diese Minimalziele, die mit dem Projekt Rhesi erreicht werden müssen. Demnach muss wieder ein naturnaher Rhein geschaffen werden, der im Minimum die ursprünglichen ökologischen Funktionen erfüllt. Nur dies fordern die Umweltverbände ein. Dass sich die Naturschützer so vehement wehren müssen, damit die Behörden diese Aufgabe ernst nehmen, ist höchst unfair. Wie müsste diese Minimallösung nun aber aussehen? Die ökologischen Ziele können nur dann erreicht werden, wenn mindestens fünf längere Rheinabschnitte (Trittsteine) mit Auenstruktur geschaffen werden. Diese dürfen höchstens vier Kilometer voneinander entfernt sein, damit die Wiederbesiedlung mit gewässertypischen Arten erfolgen kann. Gegen diese Minimallösung wehren sich die Bauern und Trinkwasserversorger lautstark. Letztere wollen ihre Grundwasserbrunnen im Rheinvorland erhalten. Sie verhindern damit die Minimallösung, insbesondere bei Widnau, wo eine Bettverbreiterung innerhalb der äusseren Dämme zwingend notwendig wäre. Sonst wird nämlich die Vernetzung mit dem See nicht erfolgen.
Der Rhein kann nicht verlegt werden – Grundwasserfassungen schon
Einzelne Grundwasserbrunnen können aber ohne jeden Zweifel aus dem Rheinvorland zu Gunsten des Flussparadieses verlegt werden. Auch wenn z.B. die Widnauer Brunnen entfernt würden, stünde ausserhalb der Dämme ausreichend Wasser zur Verfügung, um jährlich 2.2 Milliarden Red-Bull-Dosen abzufüllen und den guten Service Public für die Bevölkerung zu gewährleisten. «Es ist genügend Grundwasser für alle da», meinte der renommierte ETH-Professor Wolfgang Kinzelbach einst – eine Koryphäe im Bereich Grundwasser.
Die Diskussion ist müssig, da die Wasserversorger behaupten, Wasser in guter Qualität sei nur im Rheinvorland zu beschaffen. Solche Aussagen entbehren jeder Grundlage. Und was ist eigentlich mit Seewassernutzungen? Schliesslich beziehen rund 5 Millionen Menschen Bodenseewasser, über Entfernungen von bis über 150 Kilometer. Das eigennützige Gebrüll einzelner Wasserversorger führt nun dazu, dass ein Jahrhundertprojekt seinem Namen nicht gerecht wird und offensichtliche Lösungen mit einem Denkverbot belegt werden. Das Resultat: die Planungen vom November 15 bleiben gar hinter den rechtlichen Minimalvorgaben zurück.
Ja-Stimmen nicht ignorieren!
Die Umweltverbände tappen im Dunkeln, was die Planungen bis zur Projektauflage im 2018 betrifft. Die Vorzeichen und Projektgeschichte lassen keine Zuversicht aufkommen, dass die Minimallösung punkto Gewässerschutz konsequent angestrebt wird. Deshalb richten die Umweltverbände erneut einen Appell an das Entscheidungsgremium «Gemeinsame Rheinkommission». Am Mittwoch (14.09.2016) übergeben die Gewässerschützer der Kommission im Werkhof des Museums Rheinschauen bei Lustenau die über 5000 Ja-Stimmen; mit der Bitte die Bevölkerung ernst zu nehmen und deren Wünsche bis zur Projektauflage umzusetzen. «Die Übergabe findet nicht zufällig genau um fünf vor zwölf statt. «Es ist noch nicht zu spät das Ruder rumzureissen», meint Lukas Indermaur vom WWF. Auch Christian Meienberger von ProNatura appelliert eindringlich, die Kommission möge sich am technisch Machbaren und nicht an Partikularinteressen orientieren. Bianca Burtscher vom Naturschutzbund Vorarlberg bringt es auf den Punkt: «Die Planungen sollen einem Jahrhundertwerk gerecht werden, was umso höhere Ansprüche an den Gewässerschutz stellt. Es ist auch wichtig, dass die Entscheidungsträger das öffentlich kommunizieren». Letztlich würden nebst Tier- und Pflanzenarten vor allem auch die Wirtschaft und die Bevölkerung vom Naturparadies profitieren.
Weitere Infos: www.lebendigerrhein.org