Erst im Dezember 2016 machte der Abendsegler (Nyctalus noctula) in Vorarlberg von sich reden: Anwohner entdeckten auf ihrem Balkon im Forum-Hochhaus in Bregenz 15 Tiere und verständigten die inatura. Der Fledermaus-Experte Hans Walser setzte die Überraschungsgäste in einen Fledermauskasten aus Holzbeton, der auf dem Balkon befestigt wurde. Ob sie die Wintermonate tatsächlich hier verbracht oder sich ein anderes Quartier gesucht haben? Bisher sind keine Überwinterungen des Abendseglers in Vorarlberg bekannt geworden; doch ist davon auszugehen, dass sie regelmäßig stattfinden.
Wochenstuben, also Sommerquartiere, in denen Weibchen gemeinsam ihre Jungen großziehen, sind in Vorarlberg dagegen kaum zu erwarten. Denn das Hauptverbreitungsgebiet des Abendseglers, der mit einer Spannweite von über 40 cm zu den größten heimischen Fledermausarten zählt, liegt im Norden und Nordosten Mitteleuropas, z.B. in Ostdeutschland und Polen. In Bayern gibt es einzelne Fortpflanzungsnachweise, u.a. aus dem Raum München.
Trotzdem werden Abendsegler regelmäßig in den Sommermonaten in Vorarlberg nachgewiesen, insbesondere im Rheintal. Dabei handelt es sich aber fast ausschließlich um Männchen, die im Gegensatz zu den Weibchen im April/Mai nur in geringer Zahl in nordöstliche Richtung abwandern. So wurde in den 1990er Jahren ein Sommerquartier mit 40-60 Männchen in Feldkirch bekannt. Baumhöhlen, Fledermauskästen und Spalten an den Fassaden höherer Gebäude sind ideale Sommerquartiere.
Nach abgeschlossener Jungenaufzucht im nordöstlichen Mitteleuropa machen sich im August Weibchen und Jungtiere auf die Wanderung in südwestliche Richtung und kehren nach Bayern und Vorarlberg zurück, um sich hier zu paaren und den Winter zu verbringen. Dabei werden Distanzen von 900-1000 km und mehr zurückgelegt. Die Männchen haben inzwischen in Wäldern und Parkanlagen ihre Balzquartiere in Baumhöhlen bezogen und werben mit zwitscherndem, auch für das menschliche Ohr wahrnehmbarem Balzgesang um die Gunst der eintreffenden Weibchen. Das ist die beste Jahreszeit, um in Vorarlberg Abendsegler zu Gesicht zu bekommen: Im August und September fliegen sie in den Abendstunden, bisweilen aber auch schon am Spätnachmittag in rasantem, manchmal schwalbenähnlichem Jagdflug mit vielen schnellen Wendungen über Gewässer aller Art. Am Bodenseeufer können dann mit etwas Glück auch größere Ansammlungen von mehreren Dutzend Tieren beobachtet werden. Die Nahrung des Abendseglers besteht ausschließlich aus Insekten, wie z.B. Zuckmücken, Mücken, Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Schmetterlingen und größeren Käfern.
Schutzbemühungen für ziehende Arten wie den Abendsegler werden nur dann Erfolg haben, wenn sie grenzübergreifend erfolgen. Dabei sind vor allem die Förderung einer naturnahen Forstwirtschaft und Maßnahmen, um die Gefährdung durch Windräder zu minimieren, die wichtigsten Schutzaspekte.
Dipl. Biol. Anne Puchta, Biologin