Das Jahr 1989 war ein Wendepunkt in der Geschichte Europas. Es markierte das Ende des Kalten Krieges, symbolisiert durch den Fall des Eisernen Vorhangs. Dieser historische Umbruch legte den Grundstein für viele positive Entwicklungen, darunter auch die Entstehung des European Green Belt – eines einzigartigen Natur- und Kulturerbes – das sich entlang der ehemaligen Trennlinie entwickelt hat.
Unmenschliche Grenze
Nach dem Zweiten Weltkrieg teilte der Eiserne Vorhang Europa in Ost und West. Diese Grenze war nicht nur eine politische und ideologische Trennung, sie manifestierte sich auch durch Stacheldrahtzäune, Minenfelder und Wachtürme. Menschen, die versuchten, diese Grenze zu überwinden, riskierten ihr Leben. In den 1980er Jahren änderte sich die politische Landschaft. Mit Glasnost und Perestroika leitete Gorbatschow in der Sowjetunion Reformen und Lockerungen im kommunistischen Regime ein. Das ermutigte viele osteuropäische Länder, ebenfalls Reformen zu fordern und letztlich die Fesseln des Kommunismus abzuschütteln.
Erste Risse und Fall des Eisernen Vorhangs
Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Dieser historische Tag war das Ergebnis einer längeren Entwicklung. Bereits im Sommer 1989 hatten Ungarn und Österreich begonnen, ihre Grenzbefestigungen zu demontieren. Den ersten sichtbaren Schritt zur Grenzöffnung machten die Außenminister beider Länder, Alois Mock und Gyula Horn am 27. Juni 1989, als sie symbolisch einen Abschnitt des Stacheldrahtzauns durchschnitten. Diese öffentlichkeitswirksame Aktion löste eine Kettenreaktion aus.
Ein entscheidendes Ereignis auf dem Weg zur Öffnung des Eisernen Vorhangs war das Paneuropäische Picknick am 19. August 1989 nahe der ungarisch-österreichischen Grenze. Es wurde von ungarischen oppositionellen Gruppen und der Paneuropa-Union unter der Schirmherrschaft von Otto von Habsburg sowie dem ungarischen Reformpolitiker Imre Pozsgay organisiert. Ursprünglich als symbolische Geste zur Förderung der europäischen Einheit und Freundschaft gedacht, entwickelte es sich zu einem historischen Moment: Als die ungarischen Grenztruppen während der Veranstaltung symbolisch einen Grenzübergang für einige Stunden öffneten, nutzten das Hunderte von DDR-Bürger*innen, um in den Westen zu fliehen. Diese Massenflucht war ein starkes Signal und zeigte die wachsende Unfähigkeit der kommunistischen Regierungen, ihre Bürger*innen einzusperren. Das Paneuropäische Picknick wird oft als einer der ersten Risse im Eisernen Vorhang angesehen.
Ein Dorf an der Grenze schreibt Geschichte
Mörbisch, direkt am Neusiedlersee, an der österreichisch-ungarischen Grenze gelegen, spielte eine besondere Rolle in diesem Prozess. Als am 2. November 1949 die Grenze zwischen Mörbisch und Fertörákos geschlossen wurde, schien die Welt der Bürger*innen beider Gemeinden am Eisernen Vorhang zu Ende. Das änderte sich im Jahr 1989, damals ist der der Großteil der über Ungarn flüchtenden Bürger aus Ostdeutschland über die Grenze in Mörbisch gelangt. Das ganze Dorf war auf den Beinen und half den Flüchtenden zur Stelle, man bot Verpflegung, Kleidung oder Unterkunft und unterstützte beim Fluchtweg durch Österreich.
Die Geburt des European Green Belt
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs entstand eine einmalige Gelegenheit, die zuvor unzugänglichen Grenzgebiete zu schützen und zu bewahren. Der ehemalige Todesstreifen hatte sich während der Jahrzehnte der Isolation zu wertvollen Rückzugsgebieten für Flora und Fauna entwickelt. So entstand die Idee des European Green Belt – ein Band des Lebens – das sich über 12.500 Kilometer von der Barentssee im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden erstreckt. Es verbindet 24 Staaten und umfasst verschiedene Schutzgebiete, Nationalparks und Naturreservate. Die Initiative widmet sich seit 2004 nicht nur dem Erhalt dieser wertvollen Ökosysteme: Das Netzwerk aus Umweltministerien, Naturschutzorganisationen und Schutzgebietsverwaltungen bindet im Sinne einer nachhaltigen, grenzüberschreitenden Regionalentwicklung viele lokale Partner*innen in ihre Aktivitäten ein. Gemeinsam will man die biologische Vielfalt zu erhalten, die kulturelle Identität der Grenzregionen bewahren und den nachhaltigen Tourismus fördern.
Aus der Geschichte lernen
1989 war ein Jahr des Wandels und der Hoffnung. Der Fall des Eisernen Vorhangs brachte nicht nur politische Freiheit, sondern legte auch den Grundstein für die Initiative des European Green Belt. Indem es die Vision einer geeinten und nachhaltigen Zukunft Europas unterstützt und aktiv fördert, ist das Grüne Band nicht nur ein lebendiges Zeugnis für die Kraft der Natur, sondern zeigt auch Möglichkeiten, aus der Geschichte zu lernen und gemeinsam eine bessere Zukunft zu gestalten.
Bildinformationen für oben angeführte Bilder von links nach rechts:
Maltsch bei Leopoldschlag © Alexander Schneider
MÜHLVIERTEL IN OBERÖSTERREICH: Die Maltsch bildet auf 22 km die natürliche Grenze zwischen Österreich und Tschechien. Das Luftbild veranschaulicht den Lauf des Grünen Bandes: Im Vordergrund die naturnahe Tschechische Seite, hinten landwirtschaftlich genutzte Flächen in Österreich.
Bienenfresser © Alexander Schneider
BIENENFRESSER (Merops apiaster): Nach der Rückkehr aus ihren Winterquartieren graben die bunten Bienenfresser als Koloniebrüter viele nebeneinander gelegene Bruthöhlen, die bis zu zwei Meter tief sein können. Dafür brauchen sie Steilwände und Sandgruben, die immer seltener zu finden sind.
Windische Buehel © Johannes Gepp
SÜDSTEIRISCHES WEINLAND: Südlich von Gamlitz, im Grenzgebiet zu Slowenien, befindet sich das Riedelland der Windischen Bühel. Die Riedel sind meist von Bauernhöfen besetzt und von Weingartenflächen umgeben. In der „Unendlichkeit“ des Grünen Bandes verfließen hier die zwischenstaatlichen Grenzen im herbstlichen Morgennebel.
Bildinformationen für oben angeführte Bilder von links nach rechts:
Abbau des „Eisernen Vorhangs“ an der ungarisch-österreichischen Grenze © TAMÁS URBÁN, Fortepan - wikimedia
Der Massenflucht ging bereits im Frühling 1989 die Mitteilung der ungarischen Behörden voraus, dass Grenzanlagen entlang des Eisernen Vorhangs abgebaut werden. Ab Mai wurden Teile der Grenzzäune demontiert, die Grenzpatrouillen aber verschärft.
Biricz © Tamás Lobenwein, zur Verfügung gestellt von der Stiftung Paneuropäisches Picknick 89
Er hat es endlich geschafft - die ersten Schritte in Freiheit. Der Jubel kennt keine Grenzen.
Kanitsch © Archiv Gemeinde Mörbisch
Da immer wieder Schaulustige mit ihren Fahrzeugen zur Grenze fuhren, musste der direkte Zufahrtsweg gesperrt werden. Kamen die Flüchtlinge bis zu diesem Balken, so waren sie längst auf österreichischem Gebiet und hatten somit den gefährlichen Weg in die Freiheit geschafft.
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