Die Wildkatze galt über Jahrzehnte in Österreich als ausgestorben. Nun ist sie zurück. Die ersten sicheren Nachweise sind knapp 20 Jahre alt. Die jüngst fertiggestellte „Korridorstudie Wildkatze“ befasst sich mit möglichen Korridoren bzw. Ausbreitungshindernissen der Europäischen Wildkatze, eine der seltensten heimischen Säugetierarten, in Österreich.
Das Engagement für Wildkatzen hat beim Naturschutzbund, Österreichs ältester Naturschutzorganisation, Tradition, so setzt diese bereits seit 2008 Akzente in der Erforschung und dem Schutz des seltenen Wildtiers. Ein weiterer großer Schritt gelang nun mit der Beauftragung einer Studie zu Wildkatzenkorridoren in Österreich, durchgeführt durch die Experten Josh Lowry und Luka Kern. Ausgangslage der Studie war der Wunsch des Naturschutzbundes, mehr über (potenzielle) Lebensräume der Wildkatzen herauszufinden, um sie in Folge bestmöglich bei ihrer (Wieder-)-Etablierung in Österreich zu unterstützen. In der Studie wurden mögliche Wanderkorridore der Wildkatze in Österreich sowie deren Barrieren und Vernetzungsnotwendigkeiten lokalisiert.
Kärnten als zukünftiger Wildkatzenhotspot?
In einem ersten Schritt erstellten die Studienautoren eine „Habitatanalyse“: Diese ergab den größten potenziellen Lebensraum für Wildkatzen in Niederösterreich, den kleinsten hingegen in Salzburg. In einem zweiten Schritt wurden Korridore, das heißt Verbindungsmöglichkeiten zwischen einzelnen Waldstücken, untersucht, die den scheuen Wildtieren als „Wohnraum“ dienen bzw. zukünftig dienen könnten: „Wildkatzenpopulationen und ihre Ausbreitung wurden 20 Jahre in die Zukunft simuliert und pro Bundesland 100 Mal wiederholt“, erklärt Studienautor Josh Lowry. Dabei wies Kärnten mit durchschnittlich 41 Prozent die höchste zukünftige Besiedlungswahrscheinlichkeit durch die scheue Waldbewohnerin auf. In Vorarlberg und Nordtirol sind es bloß sechs Prozent. Mit 1.067 Barrieren in potenziellen Wildkatzenlebensräumen liegt wiederum Niederösterreich im österreichweiten Spitzenfeld, in Salzburg gibt es aktuell nur 99 Barrieren.
Wanderkorridore als essenzielle Etablierungshilfe
„Die Analyse möglicher Ausbreitungskorridore für die Wildkatze liefert eine fundierte wissenschaftliche Basis dafür, Flächen auszuwählen, an denen man Korridore, z.B. mit naturnahen Waldrändern, Hecken oder totholzreichen Wäldern, gestalten kann, um die Wildkatze in ihrer (Wieder-)Etablierung zu unterstützen“, sagt Lowry. Die so ermittelte Wahrscheinlichkeit, dass ein Lebensraum besetzt wird, soll bei der Entscheidungsfindung helfen, wo weitere Korridore geschaffen werden. Für jedes einzelne Bundesland errechneten Lowry und Kern mögliche Verbindungsmöglichkeiten und identifizierten Ausbreitungsbarrieren, wie beispielsweise größere Straßen, die einen potenziellen Lebensraum zerschneiden. Hier geht’s zur Studie zu Wildkatzenkorridoren in Österreich.
Wildkatzennachweise in heimischen Wäldern
Der Naturschutzbund hat 2009 die „Koordinations- und Meldestelle Wildkatze“ ins Leben gerufen und sammelt seither im Rahmen der „Plattform Wildkatze“2 österreichweit Nach- und Hinweise von Wildkatzen. Dazu wurde eine Wildkatzen-Datenbank geschaffen. Der erste Nachweis ging 2006 aus Kärnten ein. 2007, 2008, 2009, 2010 etc. folgten Nachweise aus Niederösterreich, 2008 ein Wildkatzennachweis aus der Steiermark, 2013 aus Tirol. Bis 2018 gab es immer wieder vereinzelte Nachweise. Seither haben Hinweise und gesicherte Nachweise deutlich zugenommen – quer durchs Land vom Burgenland bis Vorarlberg. Derzeit gibt es die meisten Wildkatzennachweise in Niederösterreich, die wenigsten in Salzburg.
Wie und wo Wildkatzen leben
Die Europäische Wildkatze findet man in Europa in Schottland, der iberischen Halbinsel, im südlichen Mitteleuropa, dem Apennin und dem Balkan bis zum Kaukasus – sie fehlt jedoch im Norden. Das Wildtier hält sich vorzugsweise in großen Wäldern auf, insbesondere findet man sie an Waldrändern sowie Bereichen mit dichter Bodenvegetation, wo es reichlich Nahrung findet. „In Österreich haben wir nun jedoch auch Nachweise und Hinweise1 aus 2.000 m Seehöhe, selbst am Stadtrand von Dornbirn hat man sie nachgewiesen und aus dem urbanen Umfeld von Graz gibt es einen gesicherten Hinweis. Wir können also nur Staunen. Manch vorgefasste Vorstellung zum Wildkatzenlebensraum muss revidiert werden. Die Art ist flexibler als gedacht“, sagt Naturschutzbund-Wildkatzenexperte Andreas Kranz.
Naturschutzbund-Projekt „Netzwerk Wildkatze“
Das seit 2008 währende Engagement des Naturschutzbundes für die scheue Waldbewohnerin wurde 2022 mit dem vom Waldfonds des BML unterstützten Projektes „Netzwerk Wildkatze“ weiter gefestigt: Ziel ist es, das Wildtier mit verschiedenen Maßnahmen dabei zu unterstützen, erneut in Österreich Fuß zu fassen: Unter anderem pflanzte der Naturschutzbund kürzlich in der Südoststeiermark eine erste von mehreren Hecken, um einen Wanderkorridor für die dort lebende Wildkatzenpopulation zu schaffen. Die Aktionsreihe des Naturschutzbundes ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Lebensbedingungen des in Österreich aktuell als „ausgestorben“ geltenden Tiers. Als professionelle Grundlage dieser Aktionsreihe dient u.a. die neue Korridorstudie von Lowry und Kern. Weitere Heckenpflanzaktionen sind in Niederösterreich, Oberösterreich und im Burgenland geplant.
1Die Begriffe „Hinweis“ und „Nachweis“ werden unterschiedlich verwendet: Nachweise (C1) sind genetisch verifiziert Bei sicheren Hinweisen (C2) deutet alles drauf hin, dass ein Bild tatsächlich eine Wildkatze abbildet. Bei möglichen Hinweisen (C3) kann man nicht ausschließen, dass es sich um eine Wildkatze handelt.
2 Die „Plattform Wildkatze“ ist eine Kooperation von Naturschutzbund Österreich, Nationalpark Thayatal, Österreichischen Bundesforsten, Naturhistorischem Museum Wien, Jagd Österreich, Alpenzoo Innsbruck-Tirol sowie weiteren Wildkatzenexpert*innen. Ein Expertengremium, das die „Koordinations- und Meldestelle Wildkatze“ unterstützt, trifft sich zweimal jährlich, um an der Forschung und dem Schutz der Wildkatze in Österreich zu arbeiten.
290.05.2024