Der Wolf ist zurück in Österreich. Bereits seit Ende der 1990er Jahre – über 100 Jahre nach seiner Ausrottung – ziehen regelmäßig Wölfe durch Österreich. Seit 2016 ist Österreich mit der Etablierung des Allentsteiger Rudels wieder Wolfsland. Mit dem Nachweis zweier weiterer Rudel im österreichisch-tschechischen Grenzgebiet 2018 verdeutlicht sich die absehbare Zunahme des Wolfsbestandes. Sechs Jahre nach Erscheinen des österreichischen Wolfsmanagementplans ist das Land allerdings völlig unzureichend auf die weitere Entwicklung vorbereitet, wie ein aktueller Vergleich des Wolfsmanagements der Bundesländer durch den Naturschutzbund zeigt.
Wildtiermanagement hat die Aufgabe mit Hilfe von Strukturen und Maßnahmen ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben von Mensch und Wildtieren zu ermöglichen. Mit diesem Ziel wurden 2012 – von der Koordinierungsstelle für Braunbären, Luchs und Wolf (KOST) – Grundlagen und Empfehlungen zum Wolfsmanagement in Österreich unter Beteiligung aller Länder- und Interessenvertreter erstellt. Das Ergebnis ist ein von allen akzeptierter Maßnahmenkatalog für das Zusammenleben mit Wölfen in Österreich. Angesichts der großen Mobilität der Wölfe ist der bundesweite Rahmen dieses Managementplans von hoher Bedeutung. Umsetzen müssen den Plan allerdings die Bundesländer, sodass es für den Erfolg enge Abstimmung braucht.
Der Naturschutzbund hat nun untersucht, wie weit die Bundesländer den Managementplan bereits umgesetzt haben. Das Ergebnis ist ernüchternd: Aktuell tut das kein Bundesland ausreichend, um für ein konfliktarmes Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf gut vorbereitet zu sein. Insbesondere an der Umsetzung der drei Grundsäulen „Monitoring, Herdenschutz und Öffentlichkeitsarbeit“ mangelt es. Stattdessen wird in vielen Regionen nach einer Tötung der Wölfe gerufen – eine Maßnahme, die aufgrund der europäischen Artenschutzrichtlinie verboten und lediglich in Einzelfällen legal ist. Die teilweise geschürte Negativ-Debatte lenkt von der Notwendigkeit ab, länderübergreifende Strukturen (z.B. einheitliche Entschädigungen) zu schaffen und präventive Maßnahmen wie Herdenschutz umzusetzen.
Bundesländervergleich
Immerhin befinden sich drei Bundesländer auf einem guten Weg: Salzburg, Oberösterreich und Vorarlberg haben etwa die Hälfte der vom Naturschutzbund für die Umsetzung des Wolf-Managementplans zu vergebenden Punkte erreicht. Dennoch gibt es auch hier große Unterschiede: Während Salzburg aktuell das einzige Bundesland ist, das bereits eine finanzielle Förderung von Herdenschutzmaßnahmen für Weidetierhalter bereitstellt, punktet Oberösterreich durch eine konstruktive Dialogplattform („Runder Tisch“) zum Thema Wolf, bei denen Interessenvertreter aller betroffenen Gruppierungen zu Wort kommen. Vorarlberg hat bereits Energie in gezielte Informationen zum Herdenschutz für Weidetierhalter sowie in fachliche Publikationen investiert. Diese halbwegs positive Bilanz für die drei Bundesländer darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weitere Maßnahmen braucht, um langfristig konfliktarm mit Wölfen in Österreich zu leben. So kann beispielsweise die Unterstützung von Herdenschutzmaßnahmen durch eine Förderung von 35 % der Anschaffungskosten, wie in Salzburg derzeit praktiziert, nur ein Anfang sein, um einen Anreiz für Weidetierhalter in Wolfsregionen zu schaffen.
Tirol, Steiermark und Niederösterreich sind aus Sicht des Naturschutzbundes unzureichend auf ein konfliktarmes Zusammenleben mit Wölfen vorbereitet. Das ist besonders für Niederösterreich eine bedenkliche Zwischenbilanz, beherbergt es doch bereits seit 2016 das erste österreichische Wolfsrudel. Statt als Vorreiter Impulse für gutes Wolfsmanagement für andere Bundesländer zu setzen, gibt es hier nach wie vor weder ein Konzept zur Förderung von Herdenschutzmaßnahmen, noch eine Stelle zur Präventionsberatung, noch eine Internetseite mit sachlichen Informationen über den Wolf. Letztere besitzen die Steiermark und Tirol, wobei die Öffentlichkeitsarbeit hier, wie in fast allen Bundesländern, durchaus noch ausgebaut werden sollte.
Burgenland und Kärnten sind aus Sicht des Naturschutzbundes kaum auf die Rückkehr des Wolfes vorbereitet. Insbesondere die fachlich fragwürdige und voreingenommene Information zum diesjährigen Geschehen durch das Land Kärnten ist alarmierend.
Wien stellt eine Besonderheit in der Auswertung des Naturschutzbundes dar. Die Wahrscheinlichkeit einer Ansiedlung im städtischen Ballungsraum ist zwar aufgrund der infrastrukturellen Begebenheiten und der Biologie des Wolfs sehr gering. Doch zeigt das temporäre Auftreten von Wölfen an den äußeren Rändern von Städten wie Rom, Berlin oder Hamburg, dass auch für Wien die Umsetzung des Wolfsmanagements unerlässlich ist. Von einer engen Zusammenarbeit mit Niederösterreich könnten beide Bundesländer profitieren.
„Die Auswertung hat gezeigt, dass auch die engagiertesten Bundesländer bisher lediglich einen Teil der dringend notwendigen Maßnahmen umgesetzt haben. Das halte ich für einen äußerst fahrlässigen Umgang mit diesem Thema, denn die Verantwortlichen nehmen damit bewusst in Kauf, dass sich die Situation zuspitzt“, sagt Lucas Ende, Wolf-Experte des Naturschutzbundes. „Der Naturschutzbund hat bereits durch seine bisherige Dialogarbeit mit allen betroffenen Gruppierungen sowie eine wissensbasierte Aufklärung der Bevölkerung einen wichtigen Beitrag zum sachlichen Umgang mit dem Thema Wolf geleistet. Dieses Engagement kann jedoch nur ein Impuls sein und muss auf Dauer in seriöser Weise und umfassend von den Bundesländern geleistet werden“, so Ende weiter.
Neben den Ländern ist auch der Bund gefordert: Denn die Erkenntnisse dieser Recherche zeigen auf, dass sich das vom Bund geplante Österreichzentrum für den Wolf rasch an die Arbeit machen muss. Als Vorbild können ähnliche Strukturen dienen, wie sie etwa in Deutschland vom Bundesamt für Naturschutz entwickelt wurden.
27.11.2018