Naturschützer:innen und Imker:innen warnen vor einem dramatischen Verlust der Artenvielfalt

Stellungnahme von Biene Österreich, BirdLife Österreich, Naturschutzbund Österreich, dem Österreichischen Wildbienenrat und GLOBAL 2000

Ende März hatte die EU unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit wertvolle, der Biodiversität gewidmete Felder wieder für den konventionellen Anbau freigegeben. Leider begrüßte die zuständige österreichische Ministerin Elisabeth Köstinger diesen Schritt, der für die Umwelt Auswirkungen haben wird, die kaum mehr reversibel sind. Aus Sicht der Naturschutzorganisationen BirdLife Österreich, Naturschutzbund Österreich, des Österreichischen Wildbienenrats sowie der Biene Österreich, der Dachorganisation aller heimischen Imker:innen, und der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 bedeutet die Freigabe von Brachflächen (auch „ökologische Vorrangflächen“ genannt) für die landwirtschaftliche Nutzung eine Katastrophe für die Artenvielfalt in unserem Land.

Die fünf Organisationen fordern in ihrer gemeinsamen Stellungnahme: „Aus der Sicht des Österreichischen Wildbienenrats, von BirdLife Österreich und Naturschutzbund Österreich, der Biene Österreich und GLOBAL 2000 muss der Ausverkauf der Natur unverzüglich ein Ende haben, wenn wir unseren Kindern viele Tiere nicht mehr nur im Museum zeigen wollen. Wir fordern die Landwirtschaftsministerin auf, unverzüglich zu handeln und auf dem eingeschlagenen Weg zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft zu bleiben. Abgesehen von ethischen Überlegungen ist der Schutz der Artenvielfalt neben dem sorgsamen Umgang mit Ressourcen ein wichtiger Faktor für die Ernährungssicherheit.“

Stellungnahmen der NGOs
Die Wildbienenexpert:innen und Bestäubungsbiolog:innen Sophie Kratschmer und Johann Neumayer vom Österreichischen Wildbienenrat erklären die Rolle brachliegender Flächen für die Biodiversität: „Insekten spielen an der Basis der Nahrungspyramide und als oftmals hochspezialisierte Bestäuber vieler Pflanzen eine besonders wichtige Rolle im ökologischen System. Eine resiliente Bestäubungsleistung ist von einer hohen Vielfalt an Bestäubungsorganismen abhängig. Um diese Vielfalt zu unterstützen, sind Blühflächen und andere Flächen außerhalb der agrarischen Nutzung wichtige Trittsteine in einer verarmten Landschaft. Aber auch viele andere Tiere in Agrarökosystemen finden in den Brachen und Blühstreifen Ruhe und Nahrung und sind hier vor menschlicher Aktivität weitgehend geschützt.“

Die Präsidenten der Dachorganisation aller österreichischen Imker:innen, Biene Österreich, Stefan Mandl und Reinhard Hetzenauer, sorgen sich nicht nur um Honigbienen, sondern um alle Insekten, die dem Einsatz von Pestiziden und Herbiziden zum Opfer fallen werden: „Ackerbrachen und Blühstreifen mit unterschiedlichem Nahrungsangebot sind nicht nur für alle Insekten und Tiere, die sich von Insekten ernähren, wichtig. Auch die Landwirtschaft profitiert von der wertvollen Bestäubungsleistung vieler Insekten.“

Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife warnt: „In Österreich ging seit 1998 ohnehin schon jeder dritte Feldvogel verloren. Brachen sind wichtige Lebensräume für Feldlerchen, Rebhühner und Grauammern. Der vermeintliche Gewinn für die Lebensmittelerzeugung wäre durch die angepeilten Ausnahmeregelungen nur minimal, der Schaden für unsere eigene Lebensgrundlage und die unserer Mitbewohner jedoch immens.“

„Das Einackern letzter Biodiversitätsflächen ist eine Scheinlösung, die Artenvielfalt und weltweite Ernährungssicherung längerfristig massiv gefährdet. In den letzten Jahren wurden ohnehin nur zaghafte Reformen hin zu einer ökologischeren Landwirtschaft beschlossen. Selbst diese minimalen Verbesserungen für ein Ernährungssystem mit Zukunft werden nun unter dem durchschaubaren Vorwand des Ukraine-Kriegs eingeackert. An den wirklichen Hebeln – Stichwort Extensivierung von Landwirtschaft und Tierhaltung – wird nicht angesetzt. Die EU-Mitgliedstaaten müssen jedoch gerade jetzt entschieden am European Green Deal mit seiner Biodiversitäts- und Farm-to-Fork-Strategie festhalten“, fordert Brigitte Reisenberger, Landwirtschaftsexpertin bei GLOBAL 2000.

Getreideanbau für Futtermittel und Biosprit
Das Opfern der Artenvielfalt auf dem Altar der Landwirtschaft ist besonders deshalb dramatisch, weil Österreich bei der Produktion von Getreide als Nahrungsmittel einen Versorgungsgrad von mehr als 100 % erreicht. Die darüber hinaus gehenden Mengen werden angebaut, um als Futtermittel und Biosprit verwendet zu werden. Im gesamten Gebiet der EU werden überhaupt mehr als 70 % der Agrarflächen mit der Produktion von Tierfutter blockiert.

15.04.2022

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