Kärntner Wolfsmanagement ist nicht am Stand der Wissenschaft

Anlässlich des zweiten offiziellen Abschusses eines Wolfes in Kärnten, der von den Behörden als „Risikowolf“ eingestuft wurde, ruft der Naturschutzbund zu mehr Transparenz und Sachlichkeit auf. Wölfe, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten, können europarechtskonform entnommen werden. Ein Wolf in der Nähe von besiedeltem Gebiet ist allerdings nicht automatisch für Menschen gefährlich. Der Naturschutzbund fordert deshalb ein transparentes Management, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und auf sachliche Kommunikation setzt.

„Von einem Wolf, der sich nicht vertreiben lässt, hat sicher jemand ein Video gemacht. Es muss nachvollziehbar sein, warum genau dieses Tier ein Risiko darstellt. Das muss überprüfbar sein und wissenschaftlichen Erkenntnissen standhalten können, da es sich um eine geschützte Tierart handelt“, hält Lucas Ende, Artenschutzkoordinator beim Naturschutzbund Österreich, fest.

Risiko muss faktenbasiert eingestuft werden
Der Naturschutzbund weist darauf hin, dass die Kärntner Wolfsverordnung weder europarechtskonform noch im Einklang mit den Grundlagen und Empfehlungen zum Wolfsmanagement in Österreich ist, die gemeinsam von allen Bundesländern, Interessensgruppen und Experten ausgearbeitet wurden. In den Empfehlungen werden Wölfe nicht als gefährlich einstuft, wenn sie im Hellen in Sichtweite von Ortschaften entlanglaufen. Werden Tiere mehrfach in der Nähe von Siedlungen gesehen, sollten zunächst mögliche Gründe für dieses Verhalten, wie z.B. Futterquellen, erhoben und diese bei Bedarf entfernt werden (siehe Grafik). Diese Einstufungen basieren auf internationalen Erfahrungen, wonach Wölfe Menschen meiden, nicht aber menschliche Strukturen wie Häuser oder auch Autos.

Abschuss nur als letztes Mittel der Wahl
Laut der Kärntner Verordnung gelten Wölfe bereits als Risikowolf, die in weniger als 200 Metern von vom Menschen genutzten Gebäuden, Stallungen und Viehweiden oder Fütterungsanlagen für Rotwild vorbeilaufen. „Hier wird vollkommen normales und für den Menschen ungefährliches Verhalten ohne fachliche Begründung als Risiko eingestuft“ erklärt Ende. Dies hat zur Folge, dass in Kärnten bereits der zweite Abschuss eines solchen „Risikowolfs“ innerhalb weniger Monate erfolgt ist und anscheinend vier weitere Tiere aktuell als solche eingestuft sind. Dass es auch anders geht, zeigt Deutschland, wo 30-mal mehr Wolfsrudel und -paare als in Österreich leben (2021/22: 161 Rudel und 43 Paare). Dort wurden in den 23 Jahren seit der Wiederbesiedlung zwei Wölfe aufgrund ihres Verhaltens gegenüber Menschen „aus der Natur entnommen“, also abgeschossen. Das auffällige Verhalten dieser Tiere wurde zunächst durch intensiviertes Monitoring und eine genaue Situationsanalyse von Experten näher untersucht.  Darüber hinaus wurde mit Vergrämungsmaßnahmen versucht, Verhaltensänderungen zu erwirken. „Der Abschuss eines geschützten Tieres muss immer das letzte Mittel der Wahl sein“, so der Naturschutzbund-Artenschutzkoordinator.

Empfehlungen zum Wolfsmanagement in Österreich

 

02.02.2022

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