Fischotter-Verordnungen der Bundesländer ohne fachliche oder rechtliche Grundlagen

Der Naturschutzbund Österreich sieht in der neuen Praxis, mit Verordnungen den Abschuss von Ottern zu ermöglichen, fehlendes Wissen zur Natur des Fischotters, ein problematisches Verständnis von Artenschutz und ruft die Länder zur vollständigen Umsetzung der Aarhus-Konvention auf.

© Birgit Mair-Markart

Im Rahmen der diesjährigen Präsidiumssitzung stellt der Naturschutzbund Österreich mit Sorge fest, dass der Umgang mit dem Fischotter in Österreich zunehmend über Verordnungen geregelt wird. In diesem Jahr haben Oberösterreich und Salzburg neue Verordnungen zur Tötung von Fischottern erlassen, nachdem in Niederösterreich und Kärnten solche bereits seit längerem laufen bzw. verlängert wurden. Die pauschale Freigabe von Abschussquoten des Wassermarders ist sowohl aus ökologischer als auch rechtlicher Sicht höchst fragwürdig.

Fischotter heimisch, Gewässerzustand problematisch
Der Fischotter ist seit einigen Jahren in weiten Teilen Österreichs wieder nahezu flächendeckend heimisch, nachdem er Ende letzten Jahrhunderts aufgrund von Verfolgung und Umweltgiften auf kleine Restpopulationen reduziert worden war. Als natürlicher Bestandteil unserer Gewässer und dort an der Spitze der Nahrungskette hat der Fischotter eine wichtige ökologische Rolle. Die österreichischen Fließgewässer befinden sich zu einem Großteil in einem schlechten ökologischen Zustand, dementsprechend geht es auch den Fischbeständen. Wanderhindernisse, Kraftwerke, Flussbegradigungen, Klimawandel und viele weitere menschliche Einflüsse wirken sich negativ auf das Überleben und die Vermehrung der Fische aus. In solchen vorbelasteten Gebieten kann der Fischotter zwar ein weiterer Stressfaktor für die Fischbestände sein – jedoch ein natürlicher. Hauptproblem ist die Vielzahl an menschengemachten Veränderungen.

Für den Naturschutzbund ist daher nicht nachvollziehbar, dass nun mehrere Bundesländer den Abschuss von Fischottern mit dem Schutz wildlebender Fische begründen. „Österreich steht beim Erhalt der heimischen aquatischen Artenvielfalt vor einer großen Herausforderung, die wir nicht mit plakativen Scheinlösungen bewältigen können. Stattdessen sind wissenschaftliche Ursachenforschung und langfristig wirksame Maßnahmen notwendig“, unterstreicht Naturschutzbundpräsident Roman Türk. Denn die Wirksamkeit der Abschussverordnungen ist mehr als fraglich. Zum einen ist zu erwarten, dass frei gewordene Reviere von abwandernden Jungtieren nachbesetzt werden. Zum anderen ist bei gleichbleibenden Lebensraumbedingungen keine Verbesserung der Fischbestände zu erwarten.

Gemeinsam mit anderen Organisationen hat sich der Naturschutzbund in die beiden heurigen Beteiligungsverfahren eingebracht und Versäumnisse der Entwürfe angeführt. Dennoch wurden die Verordnungen fast unverändert erlassen. Nach aktueller nationaler Rechtslage können Naturschutzverbände jedoch keine Beschwerde gegen europarechtswidrige Verordnungen beim Gericht erheben. Dies steht im Widerspruch zu der von Österreich ratifizierten Aarhus-Konvention. Dieser völkerrechtliche Vertrag sieht neben dem Zugang zu Informationen und der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren auch den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vor. „Mit einer Verordnung umgehen die österreichischen Bundesländer diese dritte Säule ganz bewusst, weil sie mit ihren Bescheiden zuvor bei den Landesverwaltungsgerichten gescheitert sind. Diese Vorgangsweise ist demokratiepolitisch bedenklich und nicht zuletzt läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Österreich“, kritisiert Türk.

Die Präsidialmitglieder des Naturschutzbundes sind davon überzeugt, dass Konflikte im Zusammenleben mit dem Fischotter auch ohne allgemeine Abschussvergaben lösbar sind. Stattdessen sind die ursächlichen Probleme für Fische, Amphibien und Krebse zu beheben. Die Wiederherstellung intakter Gewässer, die Beutetieren und Beutegreifern ausreichend Lebensraum bieten, muss sowohl zur Bekämpfung der Biodiversitätskrise als auch zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels höchstes Anliegen der Bundesländer und des Bundes sein.

 

24.11.2022

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