Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Thema Wolf nimmt Österreich in die Pflicht: Genau wie andere EU-Mitgliedsstaaten müssen sich auch die österreichischen Bundesländer an die strengen Schutzvorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie halten.
Das gestrige Urteil des EuGH in Bezug auf einen Wolfs-Abschussbescheid durch das Land Tirol von 2022 setzt erneut klare Vorgaben für derlei Ausnahmen. So erfordert die Unterschutzstellung des Wolfes schon grundsätzlich staatliche Programme zum Schutz von Weidetieren, um Konflikte vorzubeugen. Es gibt in einigen Bundesländern zwar Förderungen für Schutzmaßnahmen, aus Sicht des Naturschutzbundes müsste hier aber insbesondere auf Almen mehr geschehen.
Laut dem Urteil sind die Behörden außerdem "verpflichtet, eine genaue und angemessene Begründung [...] unter Berücksichtigung von wissenschaftlichen und technischen Berichten sowie der Umstände des konkreten Falls zu erbringen", wenn Herdenschutz als Möglichkeit ausgeschlossen wird. Viele Länderverordnungen und -gesetze kommen dieser Verpflichtung jedoch aus Sicht des Naturschutzbundes nicht nach, wenn sie zum Beispiel mit Erlass von sogenannten „Weideschutzgebieten“ Herdenschutz schon im Voraus pauschal als „nicht zumutbar oder unverhältnismäßig“ einstufen.
Der EuGH hält zudem fest, dass sich der Wolf in Österreich in keinem günstigen Erhaltungszustand befindet, was aber ein Ziel der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie ist. Daher wird im Urteil die Verpflichtung für Behörden bekräftigt, sicherzustellen, dass Abschussfreigaben das Erreichen des günstigen Erhaltungszustands im entsprechenden Land, also Österreich, nicht gefährden dürfen. Dieser Verpflichtung kommen die Bundesländer (außer Wien und Burgenland) nach Ansicht des Naturschutzbundes mit der gegenwärtigen Praxis nicht ausreichend nach.
Für den Naturschutzbund Österreich ist klar: Die Rückkehr des Wolfes nach Österreich ist vor allem eine Herausforderung für die Landwirtschaft, das Zusammenleben mit ihm ist aber unter bestimmten Bedingungen auch bei uns möglich. Der Schutz von Weidevieh vor Übergriffen hat dabei oberste Priorität, weshalb sich der Naturschutzbund auch im länderübergreifenden EU-Projekt „LIFEstockProtect“ engagiert. Naturschutzbund-Projektleiter Lucas Ende dazu: „Die notwendigen Rahmenbedingungen für Herdenschutz haben wir in einer Vielzahl von Workshops und Gesprächen mit Praktikern aus der Landwirtschaft diskutiert. Aus diesem Austausch geht klar hervor: Höhere Kosten und größerer Mehraufwand zur Umsetzung von Herdenschutz müssen mittels gezielter und umfassender finanzieller und beratender staatlicher Angebote unterstützt werden.“
Die Notwendigkeit für diese Präventionsprogramme wird auch im EuGH Urteil erneut bekräftigt. Lucas Ende dazu: „Der Wolf ist gekommen, um zu bleiben. Je rascher Bund und Länder in den Schutz der Almweidetiere investieren, desto eher kann sich die Landwirtschaft auf die neue Situation einstellen.“
11.07.2024