Alpen in Not - Dauerhafter Schutz für Fauna und Flora dringend gefordert!

© Robert Hofrichter

Die Bedrohung der Tiere, Pflanzen und Pilze der Alpen durch Klimawandel und Nutzungsdruck war noch nie so groß wie heute.  Unsere bisherigen Schutzbemühungen sind unzureichend, wie die zahlreichen Roten Listen dokumentieren. Zudem stellen die Alpen einen besonderen Biodiversitäts-Hotspot dar, weshalb es im gesamteuropäischen öffentlichen Interesse ist, diese herausragende Vielfalt auch für die Zukunft zu erhalten.

Namhafte Experten der Fachtagung „Bedrohung der Alpen-Biosphäre durch Nutzungs- und Klimawandel“ in Graz fordern deshalb alle Anlieger der Alpen und die politisch Verantwortlichen der Alpenregion auf, sich stärker und dauerhaft für den Schutz der Natur in den Alpen einzusetzen!

Dazu sind folgende zehn Schwerpunkte zu setzen:

  1. Der Naturschutz braucht eine Klimawandel-Anpassungsstrategie: Naturschutzstrategien müssen angesichts des Klimawandels neu gedacht werden, um flexibel auf sich schnell ändernde Umweltbedingungen reagieren zu können. Anpassungen sind herfür auf allen Wirkungsebenen, besonders aber auf der rechtlichen Ebene (z. B. Erarbeitung eines Bundesrahmengesetzes für Naturschutz, Neuausweisung von Schutzgebieten) umzusetzen.

  2. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, naturnahe Waldwirtschaft auch für Waldbesitzer attraktiver zu machen. Der strukturreiche, naturnahe Bergwald ist neben der alpinen Stufe der artenreichste Lebensraum der Alpen, der produktive Altersklassen-Forst einer der artenärmsten. Gebietsfremde Baumarten in der Forstwirtschaft widersprechen zudem den Bestrebungen, invasive Arten in der Landschaft zurückzudrängen.

  3. Die weitere wirtschaftliche Erschließung der alpinen Hochlagen muss dauerhaft eingestellt werden. Diese Ökosysteme stellen mit ihrer Artenvielfalt funktionell und strukturell einzigartige Lebensräume dar, die für den Fortbestand der Arten in Zeiten des Klimawandels entscheidend sind.

  4. Die weltweit nur in Teilgebieten der Alpen vorkommenden Arten (Endemiten) müssen als globales Schutzgut im Zentrum aller Verträglichkeitsprüfungen und Schutzstrategien stehen.

  5. Die Hälfte der Fläche der Alpen muss als strenges Schutzgebiet im Sinne von Naturschutzgebieten oder Nationalparken ausgewiesen werden. Das aktuelle Schutzgebietssystem der Alpen ist unzureichend für einen langfristigen Schutz der Biosphäre und einem Fortbestand der Evolution.

  6. Der langfristige Kampf gegen den Klimawandel muss in der Alpenregion besonderes Anliegen sein. Dabei geht es besonders um Maßnahmen der Kohlenstoffspeicherung des Bodens, wie es bei der bäuerlich-nachhaltigen Landnutzung, in intakten Mooren und naturnahen Bergwäldern der Fall ist.

  7. Intensivierung stoppen: Intensivierungsbestrebungen der Landnutzung, wie die Bewässerung und Düngung von Magerrasen oder die Entwässerung von Feuchtgebieten sind auch aus Gründen des Erhalts der Artenvielfalt und für einen naturgebundenen Tourismus zu beenden und ihre Folgen rückgängig zu machen.

  8. Ausbau Erneuerbarer Energien auf ausgewählte Regionen beschränken: Die Natur der Alpen ist zu wertvoll, um auch hier dem Ausbau erneuerbarer Energien einen Vorrang einzuräumen. Dieser ist auf vorbelastete Regionen zu beschränken und darf nicht als Begründung gelten, in die letzten Reste mitteleuropäischer Naturlandschaften vorzudringen. Besonders sensibel ist der Ausbau der Windkraft und der Wasserkraft, wobei die Fließgewässer einschließlich ihrer Uferräume und Quellfluren besondere Hotspots der Biodiversität darstellen.

  9. Ausbau der reinen Tourismus-Infrastruktur stoppen: Es kann nicht Österreichs Antwort auf den Klimawandel sein, alle Ski-Gebiete in höhere Lagen und auf Nordhänge zu verlegen und die Beschneiung zu intensivieren. Denn intakte Natur ist ein unschätzbares öffentliches Gut, die Basis des Lebens. Sie zu erhalten muss Vorrang haben vor dem weiteren Ausbau einer Tourismus-Infrastruktur, in der die Alpen nur mehr Kulisse kommerzieller Freizeitgestaltung sind.

  10. Stärkung des Öffentlichen Verkehrs: Verkehrstechnisch ist dem Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes Vorrang zu geben, um Natur und Klima zu entlasten.

Im Namen aller Beteiligten:

Dipl.-Biol. Dr. Christian Berg
Karl-Franzens-Universität Graz
Institut für Pflanzenwissenschaften – Botanischer Garten

Univ.-Prof. Dr. Brigitta Erschbamer
Universität Innsbruck, Institut für Botanik

Prof. Univ.-Doz. Dr. Johannes Gepp
Präsident Naturschutzbund Steiermark

Mag. Dr. Christian Komposch
Ökoteam – Institut f. Tierökologie und Naturraumplanung Graz

Vera Magreiter, MSc
Universität Innsbruck, Institut für Botanik

Dipl-Biol. Dr. Jonas Müller
Millennium Seed Bank

Dr. Hartwig Pfeifhofer
Karl-Franzens-Universität Graz
Institut für Pflanzenwissenschaften
Bird Life

Mag. Patrick Schwager
Karl-Franzens-Universität Graz
Institut für Pflanzenwissenschaften – Botanischer Garten

Univ.-Prof. i.R. Dr. Roman Türk
Präsident Naturschutzbund Österreich

25.10.2018

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