Hochkarätiges Symposium mit “Vision für einen lebendigen Kamp” – Großer Aufholbedarf bei der Entfernung von Flussbarrieren in Österreich
Bereits seit Langem ist das in die Jahre gekommene Kraftwerk Rosenburg Naturschützer*innen ein Dorn im Auge. Nun soll es nach Plänen des Energiekonzerns EVN durch ein größeres Kraftwerk ersetzt werden – mit massiven ökologischen Auswirkungen für das gesamte Kamptal. Bei den “Kamp-Tagen” steht daher die Forderung nach einer Renaturierung des mittleren und unteren Kamptales sowie eines vollständigen Rückbaus des bestehenden Kraftwerks im Mittelpunkt.
“Um das Artensterben und die Klimakrise gleichermaßen zu bekämpfen, brauchen wir intakte Gewässer und lebendige Natur. Der Kamp ist heute an vielen Stellen verbaut und von Wehren unterbrochen. Die Folge ist, dass die einst großen Fischbestände zusammengebrochen sind, ebenso der Insektenreichtum. Mit einem Rückbau des Kraftwerks Rosenburg und weiterer Renaturierungen flussabwärts kann der Kamp wieder zu einem Paradies für viele bedrohte Arten werden – und damit auch ein Juwel für den lokalen Tourismus”, fordern die Vertreter*innen der BI Lebendiger Kamp, des Naturschutzbund NÖ, der NGO Riverwatch und des WWF Österreich. Sie präsentierten anlässlich der Tagung eine “Vision für einen lebendigen Kamp”.
Premiere der Kamp-Tage
Die am 29. und 30. April im niederösterreichischen Rosenburg erstmals veranstalteten Kamp-Tage sind ein internationales Symposium, das sich mit der Zukunft des Kamps und seines Tales befasst. Renommierte Expert*innen aus den USA, Finnland, den Niederlanden und Österreich präsentierten Beispiele und Erfahrungen aus dem Bereich des “dam removal”, also des Rückbaus von Querbauwerken in Flüssen. Weltweit werden immer mehr Stauwehre entfernt – um Flüsse zu befreien, Fischen und anderen Lebewesen wieder die Wanderungen zu ermöglichen, Grundwasserspiegel und -qualität zu verbessern und um neue Erholungsräume für Menschen zu schaffen.
In den USA wurden bis heute fast 2.000 zumeist größere Wehre entfernt, in Europa in den letzten 20 Jahren sogar etwa 5.000 Dämme (inklusive kleinerer Sohlschwellen).
Die Ingenieurin Laura Wildman von Biohabitats (USA) ist eine der führenden Expert*innen für “dam removal” in den USA. Sie war am Abriss von über 100 Dämmen beteiligt. “Auch in den USA klang für viele dam removal zunächst verrückt, aber heute ist das als ganz normale Methode akzeptiert. Immer mehr Menschen erkennen die vielen Vorteile für Mensch und Natur”, berichtet Laura Wildman auf der Veranstaltung. Längst hat die Bewegung auch in Europa Einzug gehalten. Etwa 5.000 Dämme wurden in den letzten 22 Jahren entfernt, darunter auch Wasserkraftwerke.
Herman Wanningen, Direktor der Organisation “World Fish Migration” und Initiator der Bewegung European dam removal (www.damremoval.eu): “Der Abriss von Dämmen ist die effektivste Maßnahme, um unsere Flüsse wieder zu beleben, vor allem für die Fischbestände. Wir haben längst vergessen, wie viele Fische es einst in unseren Flüssen gab. Mit der Öffnung unserer Flüsse wie hier am Kamp, können wir diesen Arten wieder einen Teil ihres Lebensraumes zurückgeben.”
Sampsa Vilhunen vom WWF Finnland: “Vor einigen Jahren noch wurden Dämme nur als Energieerzeuger gesehen. Doch nun sieht man auch die negativen Effekte, wie den enormen Verlust der Arten. Doch die Resultate der ersten Entfernungen haben die meisten überzeugt. In den letzten Jahren wurden in Finnland rund 600 Querbauwerke abgerissen, allein 110 Barrieren im vergangenen Jahr.“
Österreich zögert
In der EU-Biodiversitätsstrategie wird die Entfernung von Dämmen als wichtige Maßnahme explizit angeführt, um die europäischen Artenschutz-Ziele zu erreichen. Insgesamt 25.000 Flusskilometer sollen so bis 2030 europaweit renaturiert werden. Doch in Österreich ist diese Botschaft noch nicht angekommen – rund 28.000 Barrieren zerschneiden die heimischen Gewässer. Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind kaum Dämme oder Wehre entfernt worden. Das in die Jahre gekommene Kraftwerk Rosenburg ist ein idealer Kandidat für einen Rückbau – doch nun läuft ein UVP-Verfahren zum geplanten Neubau des Kraftwerks durch den Energiekonzern EVN. “Dieses Vorhaben würde den ökologischen Zustand des Kampflusses weiter verschlechtern, durch einen verlängerten Einstau wertvoller Flussauen sowie durch die künstliche Eintiefung des Flussbettes”, erklärt Stefan Glaser von der Bürgerinitiative Lebendiger Kamp.
Appell an EVN und Land NÖ
Bei einer gemeinsamen Wanderung forderten die Initiator*innen der Kamp-Tage mit einem riesigen Banner die Renaturierung des Kamp-Tals und richteten ihren Appell an das Land Niederösterreich und die EVN: “Wir brauchen in Österreich mehr lebendige Flüsse und nicht weniger. Durch die Entfernung des Wehrs bei Rosenburg könnte der Kamp wieder über eine Strecke von 20 Kilometern zu einem lebendigen Kamp werden, zu einem kleinen Paradies für viele bedrohte Arten. Das ist ökologisch sinnvoller und fördert die Attraktivität und die Erholungswirkung in der Region. In der Energieproduktion haben die Flüsse Österreichs längst ihre Schuldigkeit getan. Mit 5.200 Wasserkraftwerken hat Österreich eine der größten Kraftwerksdichte der Welt. Statt auch noch die letzten freien Fließ-Strecken zu verbauen, sollte vor allem die Photovoltaik ausgebaut werden, da ist Niederösterreich säumig”, so die Veranstalter. Selbst nach dem größeren Neubau des Kraftwerks wäre der Strom-Ertrag überschaubar – alleine durch die Nutzung von Dachflächen umliegender Gewerbeparks könnte man eine größere Menge Energie erzeugen.
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