Naturschutzbund NÖ Vorsitzender und Ehrenpräsident im Gespräch

Walter Hödl, Sepp Greimler und Margit Gross

Am Naturschutztag 2022 wählte der Naturschutzbund NÖ Sepp Greimler zum neuen Vorsitzenden, sein Vorgänger Walter Hödl wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt. Wir haben uns mit den beiden u. a. über die Zukunft des Naturschutzbund NÖ unterhalten.

Margit Gross: Bevor wir uns dem Naturschutzbund widmen: Sepp, wie bis du auf unseren Verein aufmerksam geworden? Beim Walter waren es ja damals die Urzeitkrebse in Marchegg, die er schützen wollte und ihn dazu veranlasst haben, mit uns Kontakt aufzunehmen?

Sepp Greimler: Im Rahmen meines Studiums der Botanik und Vegetationsökologie sowie danach in meiner Forschung war ich bereits mit Naturschutzproblemen konfrontiert. Zum Naturschutzbund bin ich aber dann durch ein bestimmtes Erlebnis gekommen: In einem Voralpental ist eine Vielzahl von Feuersalamandern überfahren worden und ich wollte etwas gegen das Amphibiensterben auf der Straße unternehmen. Ich habe Naturschützer kontaktiert und mir wurde der Naturschutzbund als Ansprechpartner empfohlen.

Gross: Es gibt in Österreich eine breite Palette an Naturschutzvereinen und Umweltorganisationen. Was ist das Besondere am Naturschutzbund NÖ, was ist sein Alleinstellungsmerkmal?

Walter Hödl: Der Naturschutzbund ist die Speerspitze im lokalen und regionalen Naturschutz. Wir wissen ja, dass der Naturschutzbund genauso wie der Naturschutz in Österreich föderal geführt wird und föderal organisiert ist. Damit hat er Vorteile und Nachteile. Der Vorteil ist, dass die Landesorganisationen im Wesentlichen für die Länderaktivitäten verantwortlich sind und vor Ort aktiv sein können, auch in Zusammenarbeit mit dem föderal organisierten beamteten Naturschutz. Andere, global arbeitende Organisationen wie z.B. der WWF versuchen, für internationale Aktionen Gelder zu bekommen. Als ich mich erkundigt habe, wurde mir damals gesagt, dass sie von der Bevölkerung weniger Spenden kriegen, wenn sie lokale Sachen bewerben und viele Spenden für den Gorilla, Jaguar oder den Blauwal als Schutzgut. Das ist vielleicht ein Nachteil bei der Finanzierung der Arbeit zum Schutz der Natur „vor der Haustür“.

Sepp Greimler: Ich sehe das ähnlich, für mich ist der Naturschutzbund NÖ eine Organisation, die lokal und regional agiert und daher auch Ansprechpartner für in der Region tätige Naturschützer*innen ist.

Gross: Wenn ich ans Grüne Band und grenzüberschreitende Projekte denke, gehen die Tätigkeiten des Naturschutzbund NÖ doch weit über die Region hinaus.

Hödl: In den Grenzregionen ist die Kooperation mit den Nachbarländern selbstverständlich. Im Hinblick auf das Grüne Band sind übergreifende Themen von Interesse. Oder wenn ich an die Naturschutztage denke, hier sprechen wir generelle Themen an. Naturschutz im Klimawandel, Moore, Auen gibt es nicht nur in Niederösterreich. Der Naturschutzbund NÖ handelt zwar in erster Linie im Bundesland Niederösterreich, die Herausforderungen sind aber natürlich globaler Art.

Greimler: Niederösterreich hat innerhalb von Österreich eine große Verantwortung. Es ist das Bundesland mit der höchsten Lebensraumdiversität und hat als einziges Bundesland Anteil an vier von fünf großen Naturräumen. Damit ist der Anteil an in Niederösterreich vorkommenden gefährdeten Arten der Roten Listen auch besonders hoch. Daher auch die große Verantwortung beim Schutz dieser Arten.

Gross: Blicken wir zurück und gleichzeitig nach vorne: Walter, was wären drei Dinge, die du in deiner Zeit als Vorstandsvorsitzender erreicht hast? Und Sepp, worauf würdest du gern einmal zurückblicken, wenn du in Zukunft auf deine Tätigkeit als Vorsitzender denkst?

Hödl: Zum einen war es meine Wahl zum Vorsitzender Stv. 2000. In dieser Zeit war es besonders wichtig, verschiedene Standpunkte in der Landesgruppe unter einen Hut zu bringen und die Kräfte zu bündeln. Das zweite war die professionelle Entwicklung des Naturschutztages. Der dritte Aspekt ist ein persönlicher und war mein Standing im Land Niederösterreich als Vertreter des Naturschutzbundes und damit als Naturschutzexperte. Das führte letztendlich dazu, dass ich in die Gestaltung der Landes eingebunden wurde.

Greimler: Zu den Herausforderungen: Ganz wichtig ist eine bessere finanzielle Ausstattung des Vereins. Dann denke ich an einen intensiven Kontakt zur Landwirtschaft und die gemeinsame Suche nach Lösungen, um die Biodiversität zu fördern und zu erhalten und ihr nicht zu schaden: Stichwort Pestizideinsatz und Flächenverlust. Das Einbremsen des „Kurzrasenfetischismus“ im urbanen und generell im Siedlungsraum ist mir auch ein großes Anliegen. Da entstehen regelrechte Wüsten für Organismen, die noch zu großen Problemen führen können (Stichwort: Ökosystemleistungen).

Hödl: Die politische Aufteilung der Landwirtschaftsagenden und der Naturschutzagenden wäre hier sicher hilfreich. Das sollte in Niederösterreich so wie aktuell auf Bundesebene unbedingt getrennt sein. Ein Wort zu den Kurzrasen. Ich finde, dass es leider schwierig ist, der Bevölkerung klarzumachen, dass Fettwiesen grüne Wüsten sind und nichts mit Schönheit zu tun haben. Besonders wichtig für die Zukunft ist auch die Umsetzung der EU-Richtlinien in allen Bereichen und das zu verfolgen und zu dokumentieren.

Greimler: Dem kann ich nur beipflichten. Wenn die Ausweisung von Schutzgebieten und die Einhaltung der klar definierten Regeln in Schutzgebieten (aber auch außerhalb!) nicht erfolgt, besteht dringender Handlungsbedarf. Wir leben in einem Rechtsstaat und an Gesetze muss man sich halten.

Gross: Was kann der Naturschutzbund konkret tun?

Hödl: Man kann zwei Wege beschreiten. Der eine ist, den Naturschutzbund wie eine Standesvertretung zu sehen. Das heißt, wir sind eine Naturschutzkammer und vertreten die Interessen des Naturschutzes, sowie die Landwirtschaftskammer die Interessen der Bauern und Bäuerinnen vertritt. Ein anderer Weg wäre es, auf allen Ebenen bereits im Vorfeld nach Kompromissen und damit auch nach gangbaren Wegen zu suchen, sozusagen bereits vor den „Verhandlungen“ Kompromisse anbieten. Aus meiner Sicht ist der zweite Weg nicht zielführend, auch wenn er ständig von uns erwartet wird. Denn die Kompromisse können kein Produkt einer Naturschutzorganisation sind, sie sind letztendlich die politischen Entscheidungen, die bei Abwägen aller Interessen zu treffen sind. Wir sind längerfristig glaubwürdiger, wenn wir als „Naturschutzkammer“ auftreten und die Interessen der Natur beinhart vertreten.

Greimler: Das sehe ich genauso. Wir sind der Anwalt der Natur und als solcher müssen wir für sie eine klare vertreten. Wir müssen ihre Interessen vertreten nicht im Vorhinein Kompromisse anpeilen.

Gross: Wo seht ihr den Naturschutzbund NÖ in 30 Jahren?

Greimler: Es ist schwer abzuschätzen, wie die Dynamik der aktuellen multiplen Krisen in Zukunft auf die Gesellschaft wirken wird. Was aber ganz klar ist, es muss auch in 30 Jahren noch einen Anwalt der Natur geben. Wie dieser aussieht, wird sich zeigen.

Hödl: Ich kann mich da nur anschließen. Eines könnte schon passieren, dass die Menschen die Auswirkungen der Globalisierung und der Klimakrise satthaben und zur kleinräumlichen Vernetzung sozialer, medialer und kultureller Organisationen zurückkehren. Das könnte zu einem Zulauf zum Vereinsleben führen, mit dem Ziel, sich auf den eigenen Umweltbereich zu besinnen und lokale Bemühungen zu unterstützen.

Gross: Vielen Dank für das interessante Gespräch! Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit in den vergangenen 20 Jahren, Walter und ich freu mich auf unsere Zusammenarbeit, Sepp!

 

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