Die Gewässer ziehen sich wie blaue Lebensadern durch die Weinviertler Kulturlandschaft. Sie sind ein wichtiger Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten und erbringen für den Menschen zahlreiche Leistungen: Sie können u. a. sauberes Trinkwasser liefern, Ackerflächen mit Wasser versorgen und vor den negativen Auswirkungen von Starkregen bewahren.
Jedoch sind die Fließgewässer in der intensiv agrarisch genutzten Landschaft des Weinviertels sehr oft begradigt und eingeengt und ihre Ufer naturfern gepflegt. Im Rahmen des Projekts "Naturschätze zentrales Weinviertel" arbeitete der Naturschutzbund NÖ daran, auf die Situation der Weinviertler Gewässer aufmerksam zu machen und ihre wichtige Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität und ihrer Ökosystemleistungen ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken.
Erhebung von Makrozoobenthos, Vögeln und Libellen
Da über die Weinviertler Gewässer bisher wenig geforscht wurde, war auch wenig Wissen über die Lebensgemeinschaften der pannonisch geprägten Fließgewässer im Osten Österreichs vorhanden. Im Rahmen des Projekts hat der Naturschutzbund NÖ Erhebungen der Vogel- und Libellenfauna und des Makrozoobenthos an ausgewählten Strecken in Auftrag gegeben.
Makrozoobenthos
Bei der Erhebung des Makrozoobenthos an den untersuchten Gewässerabschnitten im zentralen Weinviertel wurden insgesamt 70 Taxa nachgewiesen. Darunter mehrere Köcherfliegenarten, die aus organischen und/oder mineralischen Materialien Köcher bauen, um sich etwa vor Fressfeinden zu schützen. Weiters kommt die Fliegenhaft (Cloeon dipterum), eine im Larvenstadium an langsame Fließgeschwindigkeiten angepasste Eintagsfliege, vor. Dazu konnte ein Massenvorkommen an Wasserasseln, Flussflohkrebsen und Neuseeländischer Zwergdeckelschnecke festgestellt werden. Diese Arten sind dafür bekannt, dass sie mit Gewässern mit hohen organischen Einträgen und daraus resultierenden geringen Sauerstoffkonzentrationen gut zurechtkommen.
Libellen
Im Zeitraum zwischen Mai und September 2024 konnten an den untersuchten Gewässern insgesamt 491 Individuen aus 24 Libellenarten (17 davon bodenständig) nachgewiesen werden, am häufigsten die Gebänderte Prachtlibelle, die Vogel-Azurjungfer (laut Roter Liste Österreichs vom Aussterben bedroht) und die Große Pechlibelle. Bemerkenswert ist der Nachweis einer weiteren Art, die gemäß Roter Liste Österreichs vom Aussterben bedroht ist, nämlich der Südlichen Heidelibelle.
Vögel
In Summe wurden im Rahmen der Kartierungen 80 Vogelarten festgestellt. Neben einigermaßen spezialisierten Arten von Feuchtlebensräumen (Rohrammer, Sumpf-, Teich-, Schilf- und Drosselrohrsänger, Rohrweihe, Schafstelze) nutzen auch viele Arten anderer Lebensräume die gewässerbegleitenden Lebensraumstrukturen. Die bach- bzw. grabenbegleitenden Brachstreifen und Heckenzüge sind im Projektgebiet ein wichtiges Habitat für Arten halboffener Agrarlandschaften (Fasan, Neuntöter, Dorngrasmücke, Feldsperling, Goldammer), haben stellenweise aber auch für Offenlandarten wie Rebhuhn, Feldlerche oder Schwarzkehlchen eine hohe Bedeutung. Dichtere (Baum-)Hecken werden auch von anpassungsfähigen Vogelarten gehölzdominierter Lebensräume wie Buntspecht, Ringeltaube, Amsel, Mönchsgrasmücke, Kohl- und Blaumeise oder Buchfink besiedelt. Mittelgroße Bäume dienen größeren Vogelarten als Niststandort (bspw. Turmfalke, Nebelkrähe und Elster).
Flüssen mehr Raum geben und Rentionsräume schaffen
Die untersuchten Gewässer weisen sehr unterschiedliche Lebensbedingungen für die kartierten Gruppen auf. Grundsätzlich lässt sich jedoch für alle Abschnitte festhalten, dass eine ökologisch gestaltete Gewässeraufweitung und die damit verbundene Schaffung von Retentionsräumen maßgeblich zur ökologischen Aufwertung beitragen können. In naturnah gestalteten Abschnitten wird den Gewässern somit Raum für Überflutungen, morphodynamische Prozesse und eine natürliche laterale Entwicklung geboten, was zu einer hohen Habitatvielfalt führt.
Alle nachgewiesenen Arten und Details zu den Projektgebieten bzw. den vorgeschlagenen Maßnahmen finden Sie in unserem Projektbericht.
Zum Thema:
Projektseite Natur im zentralen Weinviertel
Workshop "Weinviertler Gewässer - Lebensadern in Bedrängnis !?" in Hollabrunn - Rückblick
Workshop "Weinviertler Gewässer - Lebensadern in Bedrängnis !?" in Wullersdorf - Rückblick