Die Lobau entwickelt sich im Moment von einem Feuchtgebiet hin zu einem gewöhnlichen Laubwald. Eine aktuelle Publikation* dokumentiert den hohe ökologischen Wert sowie der besorgniserregende ökologische Zustand der Lobau*. Die wissenschaftlichen Beiträge skizzieren aber auch anhand erfolgreicher Projekte relativ einfache Lösungen, wie man diese Entwicklung mittels Dynamisierung und Renaturierung stoppen könnte. Laubwald haben wir ausreichend, Feuchtgebiete sind jedoch von der Landkarte fast vollständig verschwunden.
Die Lobau ist ein Auengebiet in Wien und Niederösterreich von herausragendem ökologischen Wert. Das Gebiet ist insbesondere durch ausgedehnte Wasserlebensräume und Uferbereiche charakterisiert und als Teil des Nationalparks Donau-Auen eines der letzten zusammenhängenden, größeren Augebiete Mitteleuropas. Allerdings wurde die Lobau durch Donauregulierungen sowie durch diverse Bautätigkeiten und Nutzungen im Laufe der letzten 150 Jahre stark beschnitten und beeinträchtigt. Trotzdem ist das Gebiet immer noch ein besonderer Hotspot der Biodiversität. Mit dem Ziel, dieses letzte Paradies zu erhalten, wurde die Lobau in den 1970ern zum Naturschutzgebiet erklärt und ist seit 1996 Teil des Nationalparks Donau-Auen.
Trotz des hohen Schutzstatus ist der Fortbestand der Aue mit all ihren diversen Lebensräumen und Organismen, durch die zunehmende Austrocknung und Verlandung gefährdet. Während die FFH-Richtlinie dringend eine Verbesserung des ökologischen Zustands fordert, gilt es auch, die Anforderungen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu berücksichtigen. Seit einigen Jahren wird in der Oberen Lobau ein geringes Maß an Wasserzufuhr ermöglicht. Dagegen ist die ökologisch außerordentlich wertvolle Untere Lobau vom Wasser abgeschottet und daher besonders gefährdet. Seit Jahrzehnten mahnt die Wissenschaft: Die Gewässer schwinden und mit den Lebensräumen schwindet auch die Artenvielfalt, Gegenmaßnahmen sind dringend gefragt. Wien ist im Begriff, ein einmaliges Naturjuwel und einen Klimaschutz-Wasserwald vor der Haustür der Millionenstadt zu verlieren. Auch wenn historische Ursachen und der Klimawandel für die negativen Entwicklungen mit-verantwortlich sind, könnten vergleichsweise einfach zielgerichtete Maßnahmen gegen die Austrocknung und Verlandung des Augebietes gesetzt werden.
Im jüngst erschienen Band 159 der Acta ZooBot Austria, der wissenschaftlichen Zeitschrift der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich, sind Beiträge eines Symposiums zusammengefasst, welches letztes Jahr unter dem Motto „Lobau soll leben“ im Naturhistorischen Museum stattfand. Das Symposium beleuchtete einerseits den hohen ökologischen Stellenwert der Lobau, zeichnete andererseits auch ein Bild drohender Verluste an Lebensräumen und Artenvielfalt.
Bei vielen Tier- und Pflanzengruppen ist bereits ein Schwund der heimischen Arten festzustellen. Der Artenbestand innerhalb der Weichtiere, also Schnecken und Muscheln, wurde erst kürzlich evaluiert und der Verlust an wertvollen Arten ist evident. Flussmuscheln sind aus dem Gebiet verschwunden, heimische Teichmuscheln nur mehr in wenigen Restbeständen nachweisbar. In ähnlicher Weise ist ein Rückgang der Arten und Populationen bei Wasserschnecken festzustellen. Seltene und geschützte Arten sind lokal verschwunden oder sogar vom Aussterben bedroht. Auch einige feuchtigkeitsliebende Landschnecken sind aus der Lobau verschwunden.
Ähnliches zeigt die jüngste Studie über Libellen. Jene Arten, die dynamische Gewässer benötigen, sind in ihren Populationsgrößen eklatant zurückgegangen. Eine Verarmung der Artenvielfalt ist auch bei der Fischfauna zu erwarten, allerdings liegen hier letzte umfangreiche Untersuchungen viele Jahre zurück.
Hervorzuheben ist auch die einzigartige Tierwelt des Grundwassers in der Lobau. Auch für diese verborgene Kleintierwelt werden Wasserknappheit und die Erhöhung der Wassertemperatur als zunehmend problematisch eingestuft.
Einige Beiträge des eben publizierten Bandes liefern Lösungsvorschläge zur Rettung der Au. Eine Erhaltung von ökologisch bedeutenden Lebensräumen und die Nutzung der Lobaugewässer als Trinkwasserreserve sind aus Sicht der Wissenschaft nur scheinbar widersprüchliche Interessen. Denn auch für die Trinkwassergewinnung wird es à la longue ohne Wasserzufuhr und hydrologischer Dynamisierung knapp. Die Lösungen liegen auf dem Tisch, was noch fehlt ist der politische Wille, die Wiener Lobau von einem vertrocknendem Feuchtgebiet in ein ökologisches Vorzeigeprojekt des 21. Jahrhunderts zu wandeln.
*Der Band 159 der „Acta“, der wissenschaftlichen Zeitschrift der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich versammelt wir Beiträge des Symposiums „Lobau soll leben“, das im April 2022 im Naturhistorischen Museum abgehalten und wesentlich von der ZooBot mit initiiert und organisiert wurde. Neben den Beiträgen über die „Lobau“, Wiener Teil des Nationalparks Donau Auen, bietet er auch Artikel zu Biologie und Ökologie aquatischer Lebensräume sowie Abstracts der ABOL-Tagung 2022.
Link Gesamter Band https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159.pdf
Link Lobaugeschichte: Haidvogl https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_02_Haidvogl.pdf
Link Grundwasserfauna: Griebler et al. https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_03_Griebler-et-al.pdf
Link Ökologie & Maßnahmen: Hein et al. https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_04_Hein-et-al.pdf
Link Renaturierung: Mühlbauer & Zauner https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_19_Muehlbauer-Zauner.pdf#
Link Mollusken: Duda et al. https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_07_Duda-et-al.pdf
Link Libellen: Fischer et al. https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_06_Fischer-et-al.pdf
Link Schlammpeitzger: Kirchner et al. https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_08_Kirchner-et-al.pdf
Link Lötsch & Poth: Wasser für die LobAu https://www.zoobot.org/wp-content/uploads/2023/06/Acta159_09_Loetsch-Poth.pdf
Link zum Symposiumsprogramm https://www.zoobot.org/veranstaltung/symposium-lobau-soll-leben-hybrid/
Link zur Vorträgen des Symposiums: https://www.youtube.com/@zoobot/playlists