Warum Herdenschutz nicht durch Wolfsabschüsse ersetzt werden kann

Wie effektiv ist die Bejagung zum Schutz von Nutztieren, wo und wofür werden am meisten Kompensationszahlungen geleistet und was empfehlen Experten ?

Die Rückkehr des Wolfes (Canis lupus) nach Österreich und Mitteleuropa ist in vollem Gange. Als echter Weitwanderer kann der Graue leichtfüßig auch Gebiete weit entfernt von bestehenden Populationen wiederbesiedeln. Am Truppenübungsplatz Allentsteig ist bereits seit 2016 ein Rudel beheimatet, dessen Gründertiere (also das Elternpaar) aus unterschiedlichen Rudeln im rund 400 km entfernten Sachsen-Anhalt zugewandert sind. Und auch aus anderen Nachbarländern kommen regelmäßig junge Wölfe auf der Suche nach einem Territorium und einer Partnerin oder einem Partner nach Österreich. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren fortbestehen und sehr wahrscheinlich weiter zunehmen, da die Populationen in den Nachbarstaaten wachsen.

Für die erfolgreiche Rückkehr des Wolfes in zuletzt von ihm unbesiedelte Gebiete ist es besonders wichtig, Nutztierverluste zu minimieren, da sich daran in der Regel die größten Konflikte entfachen. Welche Maßnahmen zu diesem Zweck am besten geeignet sind, ist für die Weidetierhalter, Behörden und die verantwortliche Politik essentiell, um die Umsetzung erfolgsversprechender Maßnahmen zu ermöglichen.

© Josef Limberger

Wie effektiv ist die Bejagung von Beutegreifern zum Schutz von Nutztieren?
In unterschiedlichen Studien wurde die Effektivität von Schutzmaßnahmen für Nutztiere z. B. durch den Einsatz von Zäunen oder Herdenschutzhunden, akustische Abschreckung oder staatlich organisierte Entfernung bzw. Bejagung von großen Beutegreifern untersucht. Grundsätzlich genügen nur wenige Studien höchsten wissenschaftlichen Standards, die zur Vermeidung von Verzerrungen notwendig sind, da das dafür notwendige Studiendesign in der Praxis oft schwer umsetzbar ist.

Eine bereits recht standfeste wissenschaftliche Basis zeigt aber, dass staatlich organisierte Wolfsreduktionen oder die Bejagung Nutztierrisse nicht verringert, sondern in manchen Fällen sogar erhöht. Erst als die Abschüsse den natürlichen Zuwachs überstiegen – die Bejagung also nicht mehr nachhaltig war – konnten weniger Nutztierrisse nachgewiesen werden. Ausnahmegenehmigungen für gezielte Abschüsse von Einzeltieren, die gelernt haben, Herdenschutz zu überwinden, sind damit nicht gemeint.

Je mehr frei weidende Nutztiere desto höher die Kompensationszahlungen
Demgegenüber ist die leichte Verfügbarkeit von frei weidenden Nutztieren für Prädatoren ein wesentlicher Faktor für die Häufigkeit von Verlusten. Von den jährlich in Europa ausgezahlten Kompensationszahlungen (ca. 28 Millionen Euro) für Verluste durch große Beutegreifer entfallen allein 40 Prozent auf die Entschädigung von frei weidenden Rentieren in Schweden, Finnland und Norwegen (kaufkraftbereinigt). Zwar wird in dieser Zone die Bildung von Wolfsrudeln durch Abschüsse verhindert, einzelne durchziehende Tiere aus der Karelischen Population lassen sich aber nicht vermeiden. Sie sind außerdem für den Gen-Austausch der isolierten Population im Süden von Schweden und Norwegen immens wichtig. Andere Studien machen deutlich, dass stabile Rudel erheblich weniger Nutztiere reißen als Einzeltiere oder „alleinerziehende“ Elterntiere.

Was Experten empfehlen
Kompensationszahlungen sind nicht in der Lage, künftige Schäden zu vermeiden. Dies ist nur durch Maßnahmen möglich, die das Risiko von Übergriffen reduzieren. Am höchsten ist das Risiko für Schafe und Ziegen im freien Weidegang. Daher kommen verschiedene Studien zu dem Schluss, verantwortungsbewusste Entscheidungsträger sollten öffentliche Gelder im Sinne der Kosteneffizienz für Strategien einsetzen, die das Risiko von Nutztierschäden nachweislich reduzieren und alle Maßnahmen regelmäßig auf ihre Effektivität (hinsichtlich Konfliktminderung) evaluieren.

Herdenschutz – alte Traditionen wiederbeleben
Klar ist, es braucht Schafe und Ziegen zur Offenhaltung und Pflege artenreicher Wiesen und Almen. Ihre Arbeit auf den Weiden ist unersetzlich für den Naturschutz, die nachhaltige regionale Ernährungssicherung, den Tourismus und viele weitere unserer Lebensbereiche. Daher arbeitet der Naturschutzbund im Rahmen des Projekts LIFEstockProtect gemeinsam mit BIO Austria Niederösterreich/Wien und weiteren Partnern aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Naturschutz an der Verbesserung und Verbreitung von Wissen über Herdenschutzmaßnahmen wie zum Beispiel der Behirtung. Diese alte und traditionelle Form des Herdenschutzes bringt zahlreiche Vorteile in den Bereichen Weidepflege und Tiergesundheit mit sich und muss durch gezielte Förderung aktiv wiederbelebt werden.

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