Wissenschafter zerpflückt 380kV-UVP-Gutachten

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Verdacht der Begünstigung für die Durchsetzung des Projektes durch die Behördengutachter – Einschätzung „plausibel und nachvollziehbar“ als Freibrief für die APG?

 Der renommierte Salzburger Geowissenschafter Univ. Prof. i. R. Dr. Erich Stocker zerpflückt in einer Ergänzung zu seinem Gutachten für den Naturschutzbund das Umweltverträglichkeitsgutachten, das von der UVP-Behörde vorgelegt wurde. Ausgehend von gravierenden Fehleinschätzungen im Gebiet Heuberg-Nockstein-Gaisberg fordert der Wissenschafter eine Überprüfung in den anderen Bereichen der Leitungstrasse, „da die im UVG enthaltene Bewertung den Verdacht nahelegt, dass sie im Sinne einer Begünstigung für die Durchsetzung des Projektes angelegt wurde“. Das könnte zum Freibrief für die Trassenplanung der APG werden.

Professor Stocker streicht zum einen die touristische Bedeutung des Gebietes Heuberg-Nockstein-Gaisberg heraus, zum anderen aber auch den wissenschaftlichen Wert. „Obwohl als touristische Attraktion schon 200 Jahre alt, fand diese spezielle Landschaftsform leider keine Entsprechung in einem adäquaten Natur- und Landschaftsschutz“, kritisiert Professor Stocker. Die geplante 380kV-Leitung „würde eine gravierende Herabstufung dieses landschaftlichen Höhepunkts am nordöstlichen Rand der Stadt Salzburg bedeuten. `Wahrzeichen´ der Natur bilden einen wichtigen Ortsbezug und damit Bindung und Identität für die Menschen. Der Aspekt der physischen Umwelt erreicht hier auch eine soziale Bedeutung“, betont Professor Stocker.

Außerdem verweist Professor Stocker auf die wissenschaftliche Bedeutung des Nocksteinzuges. Neueste geologische Forschungsergebnisse zeigen, dass zwischen dem Nocksteinzug und der Drachenwand bei Mondsee die Linie der Überschiebung geologischer Decken mit einer „Blattverschiebung“ übereinstimmt, der sogenannten ISAM-Störung. Diese reicht von Innsbruck über Salzburg bis Amstetten. Platten der Erdkruste haben sich hier schon um 40 Kilometer gegeneinander verschoben. Das Gebiet leiste somit einen Beitrag zur Erforschung der geomorphologischen Auswirkung der alpinen Tektonik. Die wissenschaftliche Bedeutung des Nocksteins hat auch des Landesgeologen und ASV Dr. Rainer Braunstingl in der mündlichen UVP-Verhandlung bestätigt.

Der Naturschutzbund nimmt diese Aussagen zum Anlass für folgende Forderungen:

1)    Der Nocksteinzug ist unter Schutz zu stellen. Dafür sollte im Salzburger Naturschutzgesetz eine eigene Kategorie „Geotope“ geschaffen werden, wie es sie in Vorarlberg, Niederösterreich und Bayern längst gibt. Der Naturschutzbund wird weitere Vorschläge für die Ausweisung von Geotopen im Bundesland Salzburg einbringen. Kurzfristig ist die Ausweisung als Naturdenkmal (Gipfel mit eiszeitlichen Gletschermühlen) und Landschaftsschutzgebiet (gesamter Nocksteinzug) geboten.

2)    Der gesamte Trassenverlauf von Elixhausen bis Kaprun ist von einem Team unabhängiger Wissenschafter unter Beiziehung von Professor Stocker zu evaluieren. Die geplante 380kV-Leitung lässt über eine Strecke von ca. 90 Kilometern schwerwiegende Eingriffe und wesentliche negative Auswirkungen befürchten. Nur etwa die Hälfte dieser hier veranschlagten „wesentlichen“ Eingriffe – also ca. 45 Kilometer Leitungsstrecke – werden auch in der UVE als solche qualifiziert. Aber schon das ist bemerkenswert.

PS: Die komplette Expertise von Professor Stocker kann hier heruntergeladen werden.

 CV Univ. Prof. Dr. Erich Stocker        Expertise 

 

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