Weichenstellungen bei Projektentwicklung Schwarzstraße 35

Weichenstellungen bei Projektentwicklung Schwarzstraße 35

Baubestandsentwicklung ... mit Unterstützung der Stadt Salzburg, © Mayr 3/21

MEDIENINFORMATION
Weichenstellungen bei Projektentwicklung Schwarzstraße 35
Rauchmühle - Pseudo-Erhaltung wertvoller Bausubstanz mit Unterstützung der Stadt/Stadtplanung. Ist die Schule in der Schwarzstraße das nächste Beispiel oder wird dort alles abgerissen?

Wir dürfen Sie über den „Offenen Brief" an Frau Vizebürgermeisterin und Baustadträtin Barbara Unterkofler und den Planungsausschuß von der AKTIONSGRUPPE „BAUTEN IN NOT“ und der Um+Bau+Kultur Salzburg informieren (weiter unten), zudem gab es einen Mailverkehr mit Herrn Erzbischof Franz Lackner im März, weiters bekam die Sachverständigen-Kommission für die Altstadterhaltung meine ausführliche bauhistorische Analyse.

Wir haben noch auf den Start des Projektdialogs zur „Schwarzstraße 35“ gewartet, der sich coronabedingt verschoben hat, der Online-Workshop fand nun am 01. Juni 2021, ab 17:00 über ZOOM statt.

Bis zu 200 Wohnungen will das Stift Admont auf dem Schulareal Schwarzstraße 35 bauen lassen. Für die zuständige Vizebürgermeisterin ist das bloß ein „Wunsch“, sie könne sich „keine riesige Kubatur“ vorstellen.“ An die Anrainer wurden Fragebögen verschickt, parallel wurden per Internetbefragung Anregungen der Bürger gesammelt; sie sollen laut der Vizebürgermeisterin in die Aufgabenstellung eines Architekturwettbewerbs Ende des Jahres miteinfließen. (https://salzburg.orf.at/stories/3093729/ 7. März 2021)  

In den Fragestellungen des „Bürgerdialogs“ geht es suggestiv – z.B. mit dem Schlagwort "Ansprechende Architektur“ – um Neubebauungsüberlegungen. Nur eingangs wird ein "Um- und Zubau des Bestandsgebäudes bzw. allenfalls ein Neubau“ angedeutet, man erfährt sonst gar nichts über das umfangreiche, aus mehreren Bauten bestehende Bestandsensemble von 1887ff bzw. 1965ff. Die „Öffentlichkeitsarbeit“ blieb damit einseitig, intransparent und mit spürbarer Abrisstendenz, sie verweist nicht auf die vorhandene eigene Bauhistorische Bestandserhebung der Stadt Salzburg (Baurechtsamt) als die Basis jeglicher Planung.

Die Auswertung der rund 100 Antworten beim Online-Workshop am 01. Juni 2021 spiegeln dieses Defizit wider.

Die Appelle von Hannes Augustin und mir, dass die künftigen Funktionen mit den Potentialen des Bestands abgestimmt werden müssen, die Bausubstanz wegen der baukulturellen Bedeutung und auch seiner grauen Energie bzw. der Klimaziele äußerst intelligent und schonend weiterentwickelt werden muss, und auch der Grünraum (samt Baumbestand) qualitativ erhalten werden soll, kam in der Zusammenfassung des Vertreters der Kampus Raumplanungs- und Siedlungsentwicklung GmbH teilweise vor.  

Eigentlich sollten unsere Apelle als Bürger im Online-Workshop gar nicht notwendig sein, diese Inhalte müssten die Ausgangsposition einer nachhaltigen Stadtplanung und Politik sein.

Vollkommen unverständlich soll die Tiefgarageneinfahrt für das Areal mit Wohnungen unter dem Südflügel des Bestandes (Architekt Jakob Ceconi, 1903) gegenüber der Tiefgaragenabfahrt des Neubaus vom Mozarteum gelegt werden. Dies verdeutlicht lange vor dem Architektur-Wettbewerb, dass nicht Weiterbauen am Bestand, sondern eine tabula-rasa-Mentalität nicht nur die Investoren, sondern auch die Stadt bzw. Stadtplanung beherrschen.

Solche städtischen Vorgaben konterkarieren die Grundaussagen der amtlichen Bauhistorischen Bestandserhebung, die bemerkenswerterweise nicht die städtische Abteilung Raumplanung/Baubehörde, sondern die Sachverständigen-Kommission für die Altstadterhaltung vor einigen Wochen auf ihrer Homepage des Landes Salzburg öffentlich gemacht hat.

Die beim Land angesiedelte Sachverständigen-Kommission hat offensichtlich ein anderes Verständnis bei der Information der Bevölkerung als die Stadt Salzburg.

"Strukturell und substantiell ist […] – nach fachlich eingehender Prüfung aus heutiger Sicht – das Gebäude Schwarzstraße 35 als bauhistorisch bedeutsam sowie charakteristisch für das zeittypische Gefüge und gründerzeitliche Stadtbild der Altstadt in genanntem Bereich einzustufen.“ Strukturell und substantiell zu erhalten ist laut dieser gründlichen, kompetenten "Bauhistorischen Bestandserhebung" der Baurechtsabteilung des Magistrats (26.2.2020) auch die Kapelle als besonderes Kleinod – "der europäischen Architektur-Avantgarde der 1960er Jahre […]. Bei einer Neuverbauung sollte sie unbedingt erhalten bzw. integriert werden. Dies auch hinsichtlich der durch ihre geringe Bauhöhe freigegebenen, städtebaulich bedeutsamen Sichtachse seitens der gründerzeitlichen „Neustadt“ auf die Altstadt – speziell auf den gegenüber liegenden Festungsberg und Müllner Hügel mit der als Orientierungspunkt prägnanten Müllner Kirche."

Ignoriert damit die Abteilung Raumplanung/Baubehörde seit über einem Jahr die eigene Fachexpertise (Feb. 2020), lässt sich gegen besseres Fach-Wissen damit die Stadt Salzburg vor den Karren von Investor "Kampus Raumplanungs- und Stadtentwicklungs GmbH bzw. Stift Admont spannen, die erklärterweise „bis zu 200 Wohnungen“ dort errichten wollen?

Eine der positiven Aspekte des digitalen Fragebogens ist die Frage nach der "klimaschonenden Bauweise“. Allerdings bezieht sich auch diese Formulierung auf Neubautätigkeit. Im Kontext der gut erhaltenen Bausubstanz von 1887ff bzw. 1965ff. müßte die Klimaschonung allerdings darin bestehen, die „Graue Energie" der soliden Bestandsbauten NICHT zu vernichten, was für den Lebenszyklus bzw. für den ökologischen Fussabdruck absolut unverantwortlich wäre.

Bei den Ambitionen der Stadtplanung handelt es sich um keine intelligente Nachverdichtungsstrategie. Diese hier an den Tag gelegte, unverantwortliche Tendenz zu Abbruch und spekulativem Neubau muss einem Weiterbauen weichen, der Paradigmenwechsel hin zu einer zukunftsorientierten Haltung, die bis ins 19. Jh. Alltag war, ist überfällig.

In der Schwarzstraße sollen neben den Abbrüchen möglicherweise weit mehr als die Hälfte der derzeitiger Grün-und Freiflächen fallen. (Beim online-Workshop wurden leider keine konkreten Vorgaben für den Erhalt der Grün- und Freiflächen offenbart). Das ist stadtökologisch, klimatechnisch (Luftzüge quer zur Salzach), bauhistorisch und schulpädagogisch alles andere als zukunftsweisend.

Herr Alexander Reich, der Büroleiter von Fr. Bgm.-Stv. Dr. Barbara Unterkofler hat mich daran erinnert, dass die Politikerin die fachlich ungeeignete "Terra Cognita-Studie (2016)“ per Weisung vom 05. Mai 2020“ entsprechend neutralisiert hat, damit sie "im Verwaltungshandeln keine Berücksichtigung zu finden hat.“

Die Abteilung Raumplanung/Baubehörde hat diese derartig ungeeignete Studie um mehrere Zigtausend Euro in Auftrag gegeben. Zudem geht sie der fachlich unbestrittenen Notwendigkeit nicht nach, den Gebäudebestand nach rund 30 Jahren auf den wissenschaftlichen Letztstand der Erhaltungswürdigkeit zu bringen und den „Beobachtungsraum“ auf 1945 bis in die 1980er Jahre  – die Schul-Erweiterung Schwarzstraße mit Kapelle und Stiegenhaus fällt in diesen Zeitraum – zu erweitern.

Der kürzlich erfolgte Teil-Abbruch des Silogebäudes Rauchmühle in Salzburg-Lehen lässt befürchten, dass die Abteilung Raumplanung/Baubehörde ebenso wenig bemüht sein wird, auch andere erhaltenswerte Bausubstanz wie das Schulensemble Schwarzstraße zukunftsorientiert weiterzuentwickeln zu wollen.

Nach unseren Erfahrungen der letzten Jahre kann das gegenwärtige Handeln der Stadtplanungsabteilung Salzburg nicht in eine klimagerechte wie baukulturell kompetente Zukunft führen. Wir fordern eine Neuorientierung, um diese großen Zukunftsthemen durch eine starke und klare Position der Stadt zu bewältigen.

Der Anspruch zeitgemäß zu bauen ist heute keine Frage eines zeitgemäßen Stils oder zeitgeistiger Moden, sondern bildet die Herausforderung, intelligent und zeitgemäß an der Stadt und am Bestand weiterzubauen. Damit Weiterbauen wieder zur Normalität wird, wie es bis ins 19. Jh. Alltag war, ist ein Paradigmenwechsel in Salzburg überfällig.

Eine wichtige internationale Stimme für diesen Paradigmenwechsel, der angesichts der Klimakrise nicht allein für Architekten und für den Hochbau gilt, stammt von den heurigen „Nobelpreisträgern“ der Architetkturszene: in der "Welt“ bzw. der beiliegenden „New York Times“ wurden die beiden Pritzker-Preisträger:innen 2021 - Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal - diesen März wie folgt zitiert: Zerstörung kommt für Lacaton & Vassal nicht infrage. „Niemals!“ So wird das Duo gern zitiert. Und dazu bekennt es sich nicht erst, seit Umnutzung und Recycling en vogue sind. „Es werden zu viele existierende Gebäude, die nicht alt sind, die noch ein Leben vor sich haben und noch nicht ausrangiert sind, demoliert“. Das sei nicht nur eine „zu große Verschwendung von Materialien“, sondern vergesse auch, dass „es immer etwas Positives gibt, was man aus einer bestehenden Situation mitnehmen kann. […] Kümmern wir uns um die Erinnerung an Dinge, die schon da waren, und hören auf die Menschen, die dort leben.“

Mit freundlichem Gruß

Norbert Mayr
für die
Um+Bau+Kultur Salzburg – Strategien für eine Stadt

Dr. Norbert Mayr, Freier Architekturhistoriker, Stadtforscher
Dr. Hannes Augustin, Biologe
Mag. arch. Bernhard Rihl, MSc, Bürgerbeteiligungsexperte und Architekt
Birgit Silberbauer, Restauratorin (Spezialgebiet historische Architekturoberflächen)
Dipl.-Ing. Uli Staebner, Architekt

Kontakt: info@umbaukultur.com
Norbert Mayr +43 699 12708526
Hannes Augustin +43 660 1539061

 Bauhistorische Analyse Schwarzstraße 35,  Dr. Norbert Mayr, Freier Architekturhistoriker, Stadtforscher (0,1 MB)

(online seit 4/6/2021)

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