Pioniere: Propheten der Mitgeschöpflichkeit

Können Sie sich das vorstellen? Der Wienerwald besteht nur mehr aus Resten einer Holzplantage? Die Krimmler Wasserfälle sind nur mehr ein jämmerliches Gerinnsel, das niemanden interessiert? Auf einer Autobrücke rasen zwischen Mörbisch und Illmitz LKW und PKW über den Neusiedlersee in den Seewinkel. Große Teile des Nationalparks Donau-Auen sind im Staubereich einer Mauer bei Hainburg verschwunden. Und vom Atomkraftwerk Zwentendorf gar nicht zu reden. Nein, das wäre undenkbar. Und doch nur einige wenige Beispiele für Gefährdungen unseres Lebensraums Österreich, die von engagierten Umweltpionieren verhindert wurden.

Was vor rund 100 Jahren mit den Aktivitäten des Österreichischen Naturschutzbundes begonnen hat, in den vergangenen 50 Jahren äußerst erfolgreich fortgesetzt werden konnte und heute unter der Formel „Wir haben kein Recht zu resignieren“ gültig ist, haben die beiden Ökologen Prof. Bernd Lötsch und Dr. Peter Weish – selbst erfolgreiche und engagierte Natur- und Umweltschützer- in ihrem Vortrag „Umweltpioniere und ihre Botschaften für heute“ am 4. April im ONB Wien, gewürdigt. Festgemacht an Nobelpreisträger Prof. Konrad Lorenz. Weitere „Vorzeige-Umweltpioniere“: der Architekt Victor Gruen und der Künstler Friedensreich Hundertwasser.

Lorenz

© ÖNB Archiv

Durch sein Eintauchen in die Seele der Tiere hat Konrad Lorenz vielen Menschen geholfen, sich selbst besser zu verstehen. Er hat den Menschen vor sich selbst gewarnt, sein Werk hat unser Denken ebenso nachhaltig verändert wie das eines Charles Darwin oder eines Sigmund Freud. „Sein Humor und seine Selbstironie haben mich sehr beeindruckt“, erinnerte sich Bernd Lötsch. „Wenn so ein Gigant sich selbst nie ernst nimmt, dann ist das schon gewaltig. Lorenz war sehr kindlich. Er war der Meinung, dass das Kind im Großem zu behalten ein Schlüssel zur Genialität sei – sich nicht abfinden mit dem Selbstverständlichen“.

Lorenz, das Umweltgewissen einer Nation, hatte mehr Gewicht als jeder „Barfußprediger“. Er wurde zum Propheten einer neuen Ethik der Mitgeschöpflichkeit. „Es ist eine billige Ausrede, dass sich als weißbärtiger würdiger Professor größeres Gewicht habe, als ich es als Bußprediger hätte“, so Lorenz. Tatsächlich meinte er, gäbe es zu wenig bekennende Wissenschafter. Professor heiße ja Bekenner. Dagegen würden viele Leute existieren, die zwar viel wüssten, aber die Welt zu Tode forschten, anstatt sich vor das Leben zu stellen.

Viele Menschen verstehen nicht, wieso Lorenz, der große Verhaltensforscher, in seinem achten Lebensjahrzehnt zum ökologischen Gewissen der Nation, zum Wachstums- und Gesellschaftskritiker wurde. Der ständige Einwand gegen die unbequemen Bußpredigten des Nobelpreisträgers lautete, der alte Herr  solle bei seinen Graugänsen bleiben, von Menschen verstehe er nun einmal nichts. Was natürlich nicht zutraf. Der Umweltprediger war ein Spätberufener. Sein Buch „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“, ein Schnellschuss und eigentlich 1971 in einer Festschrift für den Philosophen Eduard Baumgarten publiziert, wurde rasch ein Bestseller. Er kam sehr bald in Kontakt mit der Gruppe Ökologie, ein medienwirksamer Zusammenschluss besorgter Wissenschafter und prominenter Journalisten aus dem deutschsprachigen Raum ( Hubert Weinzierl, Bernhard Grzimek, Heinz Sielmann, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Antal Festetics, Otto Koenig). Die „Ökologischen Maifeste“ die Lorenz diesem Kreis vortrug, haben Geschichte geschrieben. Lorenz, vom SPIEGEL damals als „denkwürdigste außerparlamentarische Opposition bezeichnet, ließ seinen Lieblingssatz gerne vom Stapel: „Ökologie ist nichts anderes als gescheite Ökonomie“.

War Lorenz, auf seine Art, ein religiöser Mensch? „Ich würde sagen, der Schlüssel zu seiner Art von Religiosität war Ehrfurcht“, meint Lötsch. Ehrfurcht und das Bewusstsein, dass es etwas Größeres und  viel Wichtigeres  gibt, nämlich Teil eines großen Ganzen zu sein, das der Mensch nicht machen, sondern nur zerstören kann.

Gruen

Für seine Erfindung, riesige Einkaufsszentren in den USA im autofreien Raum, in denen die Bewohner der Vorstädte ungestört shoppen konnten, erntete der „Architekt des amerikanischen Traums“, der österreichische Stararchitekt Victor Gruen, zunächst begeisterte Zustimmung. In New York erlangte er durch den Umbau der Fifth Avenue-Boutiquen schnell Bekanntheit. 1952 baute er das erste moderne Einkaufszentrum in der Industriemetropole Detroit. Das „Einkaufszentrum der Zukunft“, das 30 Millionen teure Northland Center, verfügte neben zahlreichen Läden, die rund um einen schönen Innenhof angeordnet waren, auch über Konferenzräume, Kindergarten und sogar einen Zoo.

Seine Vision, Auto und Konsumenten zu trennen sowie Konsumzentren und soziale Einrichtungen zusammen zu führen, scheiterte allerdings nach wenigen Jahren, so Peter Weish. Denn die amerikanischen Innenstädte verwaisten durch die von Gruen geplanten Einkaufszentren, die weiße Mittelschicht schuf sich ihren eigenen Mikrokosmos in den Vorstädten. Außerdem wurden die Zentren in Gruens Augen zu „Verkaufsmaschinen“ degradiert. Der soziale Gedanke rückte in den Hintergrund, Kindergarten und & Co sowie kulturelle Einrichtungen verschwanden bald aus den Konsumtempeln.

„Die Geister, die ich gerufen hatte, überwucherten in unheilvoller Weise die ganze Welt“, resignierte Gruen. Schon 1978 hatte der Stararchitekt, Jahrgang 1903 und als Viktor David Grünbaum in Wien geboren, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft 1938 in die USA geflüchtet war, in einer Rede in London definitiv erklärt, er streite „die Vaterschaft“ für Einkaufszentren für alle mal ab und weigere sich, „Alimente für diese Bastardobjekte zu zahlen“. Sein Entwurf orientierte sich an den natürlich gewachsenen Zentren europäischer Städte. Einkaufszentren sollten „Kristallisationspunkte“ des kommunalen Lebens in der Vorstadt werden. Die Realität sah anders aus.

Ende der 60er kehrte Gruen nach Österreich zurück und ließ sich in Wien nieder. Das Ansinnen, in den 70er Jahren die Shopping City Süd in Vösendorf bei Wien – noch heute eines der größten Einkaufszentren Europas - zu planen, lehnte der Architekt ab. Im Rahmen seines „Zentrums für Umweltplanung“ diskutierte er lieber mit Politikern, darunter auch Heinz Fischer und Freda Meissner- Blau, seine Visionen. Übrigens: Gruens Ideen hatten großen Einfluss auf die Umsetzung der Fußgängerzone in der Kärntner Straße in Wien, die 1974 eröffnet wurde. Am 14. Februar 1980 starb Victor Gruen in Wien.

Die Botschaft für heute: „Gruen hat die Shopping Mail erfunden, um Amerika mehr wie Wien zu gestalten. Stattdessen wurde Wien mehr wie Amerika“ (The New Yorker).

Hundertwasser

© ÖNB Archiv

Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser (bürgerlich Friedrich Stowasser), geboren 1928 in Wien, ist der Nachwelt nicht nur als Maler, sondern auch als Umweltpionier in Erinnerung geblieben. Schon als bekannter Künstler erwarb er in den 70er Jahren Grundstücke in Neuseeland und verwirklichte dort seinen Traum vom Leben und Arbeiten in der Natur. Er experimentierte mit Sonnenkollektoren, Wasserrädern, Grasdächern, Humustoiletten und Pflanzenkläranlagen und schaffte es, damit nahezu autark zu leben.

Der Einzelgänger reist viel, sprach sieben Sprachen und beschäftigte sich eingehend mit Architektur. Seit den frühen 50er Jahren setzte er sich für eine natur- und menschengerechte Architektur ein. Er engagierte sich für die Erhaltung des natürlichen Lebensraumes und forderte ein Leben im Einklang mit der Natur.

Dem in der Zwischenzeit weltberühmten Hundertwasserhaus in Wien (1986) folgten zahlreiche weitere Projekte in Deutschland, Österreich, Schweiz, Kalifornien, Japan und Neuseeland. Bereits 1984 beteiligte sich Hundertwasser aktiv an der Besetzung der Hainburger Au und zerriss vor laufenden Kameras den ihm verliehenen „Großen Österreichischen Staatspreis“.

Hundertwasser verfasste zahlreiche Manifeste, hielt Vorträge und gestaltete Plakate zugunsten des Naturschutzes, gegen die Kernenergie, zur Rettung der Meere und Wale sowie zum Schutz des Regenwaldes.

Am 19. Februar 2000 verstarb Hundertwasser auf der Rückreise von Neuseeland nach Europa an Bord der Queen Elisabeth 2 an Herzversagen.


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