Mitte der 1950iger Jahre herrschte eine richtige "Atomeuphorie". Jedes Land, das etwas auf sich hielt, baute Kernforschungszentren und begann Atomkraftprojekte. 1956 wurde die Österreichische Studiengesellschaft für Atomenergie gegründet und 1960 der erste Forschungsreaktor in Seibersdort errichtet. 1971 begann der Bau des Atomkraftwerks Zwentendorf. Eine frühe Kritik an der Atomkraft kam von DDr. Rudolf Drobil, der ein Memorandum der Niederösterreichischen Ärztekammer veröffentlichte, das allerdings nach Protesten einiger Funktionäre zurückgezogen wurde.
Den frühen Kritikern, meist alten Herren, wie etwa einem pensionierten Bundeslastverteiler hielt man entgegen, es handle sich um die gleichen Leute, die schon gegen die Eisenbahn protestiert hätten. Langsam entwickelte sich die Kritik an den geplanten Atomkraftwerken in Österreich. Manche Naturschützer, die in der Atomkraft eine Alternative zur naturzerstörenden Wasserkraft sahen, wurden von ihrem Irrtum überzeugt und am Naturschutztag 1974 in Wels, der sich dem Thema "Energiepolitik und Ökologie-Naturschutz und Elektrizitätswirtschaft" widmete, verabschiedete der ÖNB ein Energiemanifest mit klarer Absage an die Atomkraft und der begründeten Forderung nach einer Energiewende. Es entstanden zahlreiche Bürgerinitiativen und Verbände, die basisdemokratisch organisiert waren, wie die Initiative Österreichischer Atomkraftwerksgegner (IÖAG) oder die Wiener Organisation gegen Atomkraftwerke (WOGA). Früh und intensiv entwickelte sich der Widerstand in Vorarlberg, wo man sich auch gegen ein grenznahes Schweizer Atomkraftwerk engagierte. Im Waldviertel, wo man Atommüll-Lager bauen wollte, gab es massiven Widerstand in der Bevölkerung.
Nach vielen Diskussionen, Kundgebungen und großen Demonstrationen sowie Forderungen nach einer Volksabstimmung geriet die Regierung unter Druck und kündigte eine Volksabstimmung an - wobei sie voraussetzte, eine klare Zustimmung zu erhalten. Am 5. November 1978 war es dann so weit. Zur Überraschung Vieler haben die Menschen in Österreich in dieser Volksabstimmung. Der Atomkraft gegen millionenschwere Propaganda und Meinungsmache eine klare Absage erteilt. Bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 60% stimmten 49,50% mit ja, 50,50% mit nein. Knapp mehr als 30.000 Stimmen brachten die Entscheidung.
Das fertig gestellte Atomkraftwerk ging nicht in Betrieb. Am 15. Dezember 1978 wurde einstimmig das Atomsperrgesetz verabschiedet, das in Österreich die Atomkraft verbietet. Aus dem knappen Sieg bei der Volksabstimmung sind wesentliche Lehren zu ziehen: Auch wenn die Erfolgchancen gering erscheinen, ist es wichtig, sich zu engagieren. Jeder Beitrag war entscheidend. Tausende Aktivisten konnten zu recht behaupten: Ohne meine Beiträge wäre der Erfolg nicht möglich gewesen!
So wurde Österreich von einem der letzten Industrieländer ohne Atomenergie zum ersten Industrieland ohne Atomkraft. Diese, nach vielen Jahren Auseinandersetzung mit den Themen Energie, Umwelt und Gesellschaft erlangte klar ablehnende Haltung der österreichischen Bevölkerung zur Atomenergie hat sich beispielhaft bewährt. Wenige Monate nach der Volksabstimmung kam es zum Unfall in Three Mile Island und wenige Jahre danach zur Katastrophe von Tschernobyl und schließlich zum Desaster in Fukushima.
Viel hat sich seither verändert, manche Erfolge wurden errungen, aber die Atomindustrie ist noch lange nicht am Ende. Am Beispiel des Projekts Hinkley Point wurde wieder einmal die enge Verflechtung der zivilen mit der militärischen Atomindustrie offenkundig. Das 2017 auf UN-Ebene beschlossene Atomwaffenverbot ist ein wichtiger Schritt gegen die Interessen der "Atommächte" und gibt Hoffnung im Kampf gegen die nukleare Bedrohung.