„Die einzige Nachkriegsarchitektur, deren wir uns in Wien nicht zu schämen brauchen, ist die der Schrebergärtner“. Ja, das war – unter anderen – Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser, geboren am 15. Dezember 1928 in Wien. Sein bürgerlicher Name lautet Friedrich Stowasser, in slawischen Sprachen bedeutet „sto“ auf Deutsch übersetzt „hundert“. Seit den 50er Jahren interessierte er sich für Architektur, sein Credo war eine menschen- und naturgerechte Bauweise. Anonyme Plattenbauen waren ihm ein Dorn im Auge.
Der Künstler und Architekt war dafür bekannt, mit seinen Werken zu polarisieren. Er war Zeit seines Lebens (er starb im Jahr 2000) Gegner jeglicher Standardisierung und der gerade Linie. Und ein verdienstvoller Vordenker der ökologischen Stadtentwicklung. In einem Vortrag im Naturschutzbund Wien erinnert sich Univ. Prof. Dr. Bernd Lötsch an „diesen intelligenten Visionär, der sich auch oft – leise lächelnd – als Hofnarr der Industriegesellschaft inszenierte. Weshalb man seine Ideen oft als schrill und unrealistisch bezeichnete“. In Wahrheit, so Lötsch, waren seine Vorschläge durchaus realistisch und – bei allem hintergründigen Humor seiner Aktionen und Manifeste – vom ehrlichen Glauben an ihre Machbarkeit getragen. Lötsch und Hundertwasser lernten einander 1973 kennen, nachdem der Biologe in das „Institut für Naturschutz und Landschaftspflege“ des Österreichischen Naturschutzbundes berufen worden war und sich nach Kämpfen gegen das absurde Neusiedlerseebrücken-Projekt und für die Rettung der Wiener Lobau rasch als Stadtökologe profiliert hatte. Als solcher sandte er seine illustrierte Schrift „Die Grüne Stadt“ an Hundertwasser, der ihn daraufhin in sein Atelier einlud.
Ihrer beider Verachtung für die damaligen „Kistenmacher in Beton“, die sich Architekten nannten, begründete eine lebenslange Freundschaft. Und die Kämpfe gegen die Atomenergie (gemeinsam mit Peter Weish), und für die Donau-Auen festigten ihre Beziehung. Lötsch: „Hundertwasser war der konsequenteste Kreislaufdenker und interessierte sich früh für alternative Entsorgungswege wie die Humustoiletten und Pflanzenkläranlagen“. Der Zeitzeugenbericht des Ökologen Lötsch über eine jahrzehntelange Freundschaft von zwei Ökopionieren, wie sie verschiedener gar nicht hätten sein können, erwies sich als reich an authentischen Bildern, Texten und Pointen – ein markantes Stück österreichischer Umwelt- und Zeitgeschichte.
Zwiebeltürme in den verschiedensten Farben waren eines der architektonischen Markenzeichen von Friedensreich Hundertwasser, er bezeichnete in seinem „Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur“ die Benutzung eines Lineals in der Architektur als Verbrechen. Für ihn waren gerade Linien unmoralisch und gottlos. Insgesamt gehen etwa 40 Bauwerke auf das Konto des Architekten Hundertwasser, die rund um den Globus verteilt sind. Allen „Hundertwasserhäusern“ gemeinsam sind asymmetrische Formen, eine bunte Fassade sowie die Begrünung, mit der es kleine Naturoasen mitten in grauen Stadtzentren schuf.
Vor wenigen Wochen, am 15. Dezember 2018, wäre Hundertwasser 90 geworden. Lötsch: „Er war eine ganz außergewöhnliche Mischung aus bildnernischem Avantgardisten und wertekonservativem Bußprediger. Ich sehe es als eine glückliche Fügung, mit ihm ein Vierteljahrhundert befreundet gewesen zu sein und auch seine Gestaltungswelten erfahren zu haben“. Von Wien über Venedig bis nach Kaurinui in Neuseeland, wo er begraben ist. Statt eines Grabsteines wurzelt auf seine ausdrückliche Anweisung ein prächtiger Tulpenbaum auf seiner letzten Ruhestätte.
Infos: Univ. Prof. Dr. Bernd Lötsch, bernd.loetsch@univie.ac.at