CITY NATURE – Bedeutet Wiesenvielfalt auch Artenvielfalt?

Wie wir gemeinsam die Biodiversität der Wiesen Wiens fördern können.

In der Stadt Wien nehmen „Wiesen“ etwa 2.250 ha oder 5,4 % der Fläche des Stadtgebietes ein. Nur knapp über 40% (959 ha) davon können einem der vier in der Wiener Naturschutzverordnung angegebenen Offenland-Biotoptypen zugeordnet werden. Diese Wiesen stehen überwiegend im Eigentum der Stadt Wien, haben einen hohen naturschutzfachlichen Wert und unterliegen aufgrund ihrer Ausstattung unterschiedlichen naturschutzrechtlichen Bestimmungen. Sie sind bereits überwiegend Teil von Schutzgebieten. Es ist also zu erwarten, dass diese Flächen in ihrer Ausdehnung auch zukünftig erhalten bleiben. So weit, so gut.

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Von den über 2.300 bekannten Arten und Unterarten der Flora Wiens wurde knapp ein Drittel als in unterschiedlichem Maße gefährdet eingestuft. Gut 60% davon sind Offenland-Arten und finden sich in den unterschiedlichsten Wiesentypen wieder. Auch von den knapp 140 in Wien nachgewiesenen Tagfalterarten sind 80 % auf Lebensräume wie Trockenrasen, Wiesenstandorte, Weiden und deren Brachen angewiesen. Noch höhere Prozentangaben sind für die Heu- und Fangschrecken anzugeben. Wiesen sind darüber hinaus Lebensraum für viele weitere Wirbellose wie Spinnen, Zikaden, Käfer, Wildbienen und Libellen. Das Vorkommen bestimmter Pflanzenarten entscheidet dabei über das Vorkommen der auf sie spezialisierten Tierarten. Ebenso sind Spezialisten unter den Wirbeltieren wie das Ziesel, oder bodenbrütende Vögel wie der Wachtelkönig an das Leben auf Wiesen angepasst. Für viele andere, wie etwa Fledermäuse, sind Wiesen wichtiger Nahrungslieferant.

Wie steht es mit der Erhaltung der biotischen Inhalte dieser Lebensräume oder gar mit ihrer Verbesserung? Auch in Wien gibt es berechtigte Sorge um den Erhalt der Biodiversität im Allgemeinen und der unterschiedlichen Wiesentypen mit ihren Lebensgemeinschaften im Besonderen. Dies hat mehrere Gründe.

  • In den letzten Jahren werden zunehmend schwierig zu bewirtschaftende Flächen nicht mehr gepflegt und verbrachen. Das Ökosystem Wiese ist aber von einer regelmäßigen Mahd oder Beweidung abhängig. Ändert sich diese bzw. die Art der Bewirtschaftung, gehen diese Arten verloren.
  • Der Flächenverlust zugunsten von Gehölzen trägt auch zu einer Verinselung der Wiesenlebensräume bei. Der genetische Austausch zwischen den einzelnen Flächen wird zunehmend schwieriger.
  • Die Bewirtschaftung von Wiesen wird in Wien zwar gefördert, aber immer weniger Landwirte und Landwirtinnen mit Bedarf an Heu haben ihren Betriebssitz in Wien. Eine Anfahrt von weiter entfernten Betriebsstätten ist selten rentabel. Darüber hinaus fehlen zunehmend geeignete Geräte für die Mahd kleiner, steiler Flächen. Es fehlt daher an BewirtschafterInnen.
  • Alternativen zu Mahd ohne Abtransport des Mähgutes wie etwa häckseln (mulchen) bringen bereits in kürzester Zeit eine Verarmung der Fauna und Flora mit sich. Beweidung ist im Stadtgebiet vor allem auf Erholungswiesen schwierig zu organisieren, teuer und unsicher.
  • Eine naturschutzfachlich ausgerichtete Wiesenpflege geht weit über die Erfordernisse einer reinen Wiesenpflege zur Sicherung der Offenhaltung oder der Erholungsnutzung hinaus. Die Kosten der nicht-landwirtschaftlichen Pflege für besonders artenreiche Wiesenflächen sind daher relativ hoch.
  • Ehemals nährstoffarme Wiesen verändern sich aufgrund des Eintrages von Stickstoff aus der Luft. Dies bringt eine Veränderung zu Ungunsten der Arten mit sich, die offenen Boden bzw. niedrigwüchsige, krautige Flora bevorzugen. Die Verlierer sind fast immer bereits seltenere, konkurrenzschwache Arten.
  • Der Erholungsdruck auf Freiflächen - und somit auch auf Wiesen - nimmt aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl generell zu. Starker Betritt, die zunehmende Anzahl an Hunden (Hundekot!) und freilaufenden Katzen bringen die Wiesenlebensgemeinschaften zusätzlich unter Druck.

Die Stadt Wien beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Erhalt naturschutzfachlich wertvoller Wiesen. Ausgehend von Erhebungen wie der Biotoptypenkartierung Wiens und Kartierungen ausgewählter Tierarten über Programme wie dem Arten- und Lebensraumschutzprogramm „Netzwerk Natur“ bis hin zu einem Wiesenkatalog im Jahr 2012 wurde Wissen gesammelt und in Schutzgebietsausweisungen umgesetzt. Die Pflege der artenreichen Flächen obliegt, so sie im Besitz der Stadt Wien liegen, der grundverwaltenden Dienststelle bzw. deren Pächtern oder Kontrahenten. Die Entwicklungen aufgrund der genannten Punkte 1-7 machen eine Neuausrichtung bzw. Adaptierung der Wiesenpflege nötig.

Das Projekt CITY NATURE wird sich bis 2021 der „Entwicklung von Methoden und Kommunikationsmittel zum Erhalt und zur Stabilisierung der biologische Vielfalt und der Ökosystemdienstleistungen“ widmen. Der Lebensraum Wiese, aber auch einzelne Arten(gruppen) stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Auf Basis von Expertenworkshops wird unter Beteiligung strategischer Partner ein Konzept zur Verbesserung des Erhaltungszustandes und des Managements von Wiesenlebensräumen und zum Schutz charakteristischer Tier- und Pflanzenarten erarbeitet. Dieses Konzept ist Grundlage für die nachhaltige und nachvollziehbare Erhaltung der lokalen Wiesenlebensräume und ihrer Artengemeinschaften.

Um Akzeptanz für die kostenintensive Erhaltung der unterschiedlichen Wiesenbestände zu schaffen und ein persönliches Interesse an der Erhaltung dieser wertvollen Lebensräume mit ihren typischen Tier- und Pflanzenarten zu wecken, wird der Wert und die Bedeutung der Flächen nicht nur in die Köpfe und Herzen der Politik, sondern auch in die der breiten Öffentlichkeit gebracht. Die Bevölkerung erhält im Rahmen von Citizen Science und Citizen Activity Tätigkeiten Wissen über die Wichtigkeit einer standort-, zeit- und vegetationsabhängigen Mahd und wird in die Wiesenpflege einbezogen. Wiesen- und bezirksbezogene Folder, den Lebensraum vermittelnde Exkursionen mit Artenerhebungen und die Mitarbeit an der Wiesenpflege sollen Initiativen schaffen, die emotionale Bezüge zur „Lieblingswiese“ in Wien erlauben, ein kontinuierliches Monitoring ermöglichen und die naturschutzfachliche Wiesenpflege fest verankern. Insgesamt werden innerhalb des Projektes auf über 6 ha Wiesen in sieben Bezirken Wiens Maßnahmen gesetzt.


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