... denen es durch Widerstandskraft und Leidenschaft gelang, den Wienern ihre Naturlandschaften zu bewahren:
Josef Schöffel, der vor 150 Jahren verhindert, dass ein Viertel des Wienerwaldes geschlägert wird, dann Hans Kinnl, der 1958 gegen den Willen der Stadt die ÖMV dazu bringt, ihre neue Großraffinerie besser in Schwechat als in der Unteren Lobau zu bauen … und Anton Klein, dem es 1973 glückt, eine Zerschneidung der Lobau durch Autobahn und Schnellstraße zu blockieren, den Ausbau des Tanklagers zu stoppen und Industrieland wieder in Grünland umwidmen zu lassen. Klein ist es zu verdanken, dass die Lobau 1978 unter Naturschutz gestellt wird.
Wer war Anton Klein? Ein Kind aus Erdberg, das sich schon früh für die Schöpfung zu begeistern weiß. Nach dem Krieg wird er aus pragmatischen Gründen Polizist, obwohl er von Wissensdurst und Intelligenz her ein Studium absolvieren hätte können. In seiner Freizeit zieht er mit dem Tümpelnetz durchs Land, abends reist er daheim in die exotische Welt der Aquarienfische.
Als Klein 1969 erkennt, dass wir drauf und dran sind, all die Wunder der Natur zu zerstören, die sein Leben so sehr bereichern, wird er zum Naturschützer, zum Aktivisten – und gewissermaßen zum Prediger.
Durch sein sperriges Auftreten – auch bedingt durch seine Körpergröße - und durch seine rasche, oft undeutliche Sprechweise war selten zu erkennen, dass der wackere Polizist zu Schwärmereien und zu philosophischen Gedanken neigte.
Saß er nach Dienstschluss vor der Schreibmaschine, um seine Aquarienzeitschrift „Das Steckenpferd“ zu fabrizieren, wurde er zuweilen sentimental, lyrisch und bestimmend. Auch in kleinem Kreis erblühte mitunter seine Sprechweise und so manches seiner Bekenntnisse ist es wert, in Erinnerung behalten zu werden:
Im April 2006 etwa beschrieb Anton Klein seine tiefe Liebe zur Donau: „Die Donau hat mich beschützt, beschirmt und da hab ich mich immer geborgen gefühlt, wie wenn ich daheim bei der Mutter gewesen bin. Und wenn ich so dahin geschwommen bin, vor mir die Landschaft entlang geglitten ist, da hab ich die Kormorane und die Reiher angeschaut. Die Donausagen, von den Nibelungen, das ist Dir da alles durch den Kopf gegangen. Und dann war da der Dschungel. Da bist Du Dir vorgekommen wie der Livingstone, wenn er vorstößt zu den Nilquellen. Und da sind auf einmal die Nackerten gewesen, ganz unten, bei der Hirscheninsel. Und wir haben uns gedacht: Aha, wir sind im Paradies!“
Kleins Engagement für den Naturschutz begann 1969, als er begriff, dass die Wiener Tümpel, in denen die Aquarianer das Plankton für ihre Fische fingen, nach und nach zerstört wurden. Er schrieb: „Wenn wir uns Zeit lassen, wird bald der letzte Tümpel zugeschüttet sein. Der Naturschutzgedanke darf nicht nur das Anliegen weniger Idealisten sein. Er muss eine Herzensangelegenheit von jedem einzelnen von uns sein. Denn mit der Vernichtung der Natur berauben wir Menschen uns unserer Existenzmöglichkeiten.“
Als es hieß, das Stift Klosterneuburg beabsichtige, die vielgerühmte Janker-Lacke (heute ein Baumarktgelände) zuzuschütten, verfasste Klein einen offenen Brief an Kardinal Franz König:
„Wer wie die Wissenschafter und wir Aquarianer die Kleinstlebewesen des Tümpels durch das Mikroskop betrachtet und studiert, muss von der Allmacht der Schöpfung beeindruckt sein. Der Tümpel ist daher mit dem Beginn einer Spur zu vergleichen, die direkt zu Gott führt. Wie sollen die Menschen diesen Weg finden, wenn man den Anfang der Spur verwischt (zuschüttet)?“
Im April 1971 löste bei Klein das mangelnde Interesse der Stadt Wien zur Rettung der Lobau Fassungslosigkeit aus: „Protagoras verehre ich deshalb, weil er seiner Zeit zurief: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge!“ Er wollte sagen, wenn der Mensch das Maß aller Dinge ist, dann darf man ihn nicht ausbeuten oder gar zum Sklaven entwürdigen. „Das Maß aller Dinge“ darf aber auch die Natur nicht ausbeuten und die anderen Lebewesen sinnlos vernichten. Wir Menschen sind nur das Endprodukt eines sinnvollen Entwicklungsganges. Wenn wir uns damit beschäftigen, werden wir nicht nur unsere Umwelt besser begreifen lernen, sondern uns auch bewusstwerden, welche Verpflichtung wir gegenüber der Natur haben.“
Im März 1972, kurz bevor die Bürgerinitiative „Lobau darf nicht sterben!“ mit Hilfe des ORF und der Kronen-Zeitung durchstartete und in der Folge die Stadtpolitik an die Wand drückte, skizzierte Anton Klein für sich und seine Leute einen denkwürdigen Leitsatz: „In einer Demokratie können sich die Verantwortlichen nicht auf die Dauer den berechtigten Wünschen einer Mehrheit verschließen. Die Mehrheit unserer Mitmenschen aber will überleben und nicht das Opfer von Fehlplanungen werden. Unsere Pflicht ist es, die Verantwortlichen rechtzeitig auf ihre Fehler aufmerksam zu machen.“
Manfred Christ