Spielen wie früher

Wo sich Artenschutz und Kinderspielträume treffen

Kinder lieben es, an verborgenen Plätzen zu spielen oder besser noch: sich ihre Spielareale selber anzueignen. Diese Areale sind nicht unbedingt ein Spielplatz. Die sind in der Regel ja sehr übersichtlich gestaltet und gut zu überblicken. Kinder dagegen wollen lieber unter sich sein, sich verstecken, außerhalb der Blicke von Eltern, LehrerInnen etc.

Im Rahmen von Workshops für KindergartenpädagogInnen frage ich gerne: Wo habt ihr als Kinder gespielt? Sie sagen:  im Wald - Hütten bauen, am Bach, am Bauplatz der späteren Nachbarn, beim Steinbruch. Dann höre ich oft den Kommentar: „… das geht ja heute leider nicht mehr….es gibt diese Orte ja nicht mehr, alles ist verbaut,… und die vielen Autos, … es ist zu gefährlich….“.

Gstettn, eine Annäherung:
Ungepflegte Grünanlage – in der Umgangssprache; Ruderalfläche – wissenschaftlich; Stadtwildnis – Landschaftsplanersprache; „Eine Zeit lang ungenutzte, sich selbst überlassene Areale, auf denen sich dem Standort entsprechende Pflanzen zumindest eine Wachstumsperiode lang entwickeln können.“  Quelle: Die Wiener Umweltanwaltschaft „Am Anfang war die Gstettn, Wiener Stadtwildnisflächen“, 2014

Die Palette an Gstettn-Varianten ist breit: Baulücken, ehemalige Kiesabbauflächen und Steinbrüche, Brachen, Randzonen von Parkanlagen, aufgelassene Bahngleise,…

Betrachten wir die heutigen Kinder
, verbringen die meisten von ihnen zunehmend mehr Zeit in Betreuungseinrichtungen, in vorgefertigten Erlebniswelten und nur noch selten in der Natur.

Betrachten wir die aktuelle Natur: Artensterben – Insektensterben – Bienensterben… Zahlreiche Initiativen bemühen sich um Linderung abseits der politischen Entwicklungen: Global 2000 erfindet den „Nationalpark Garten“, der Österreichische Naturschutzbund die Aktion „Jeder m2 zählt“. Das REWISA-Netzwerk sammelt Saatgut von heimischen Wildpflanzen und vermehrt sie. Wer diese Samen aussät, diese Pflanzen setzt, trägt zur Erhaltung der Artenvielfalt bei.

Naturspielplatz heißt: Nachbau von naturnahen Elementen, die Kinder zu Bewegung, Kreativität und Phantasie anregen.

Im Folgenden nun die wesentlichen Zutaten für einen naturnahen und kindgerechten Spielplatz:

  1. Statt Wald: Die bespielbare Hecke

Ob als Abgrenzung oder Zaunersatz, Strauchtunnel, Labyrinth, als essbare Hecke…. Sie ist ein absolutes MUSS für jeden Naturspielplatz! Mit ihr wird das Areal strukturiert und es entstehen wichtige Schattenbereiche.

Zu den ökologischen Spitzenreitern unter den Gehölzen zählen u.a.:

  • Salix caprea: 213 Insektenarten (davon > 30 Wildbienenarten)
  • Corylus avellana: 112 Insektenarten, 33 Säugerarten
  • Sorbus aucuparia: 72 Insekten-, 63 Vogelarten
  • Acer campestre: 73 Insekten-, 15 Vogelarten
  • Sambucus nigra: 62 Vogelarten
  1. Wiese erhalten oder „umbauen“

Jeder Spielplatz benötigt Freiflächen. Das sind in der Regel Rasenflächen mit Spiel- und Sportrasen. Auf einem Naturspielplatz befinden sich außerdem begehbare Blühflächen.

Eine Neuanlage wird so strukturiert, dass weniger frequentierte Bereiche wie z.B. ein Heckensaum, eine Picknickzone mit Obstbäumen, ein frisch geschütteter Hügel oder Wall mit heimischen Wildblumen und -gräsern eingesät werden.

Begehbare Mähwege oder ein Wiesenlabyrinth werden regelmäßig, die restliche Wiese 2x/Jahr gemäht. Beim naturnahen Umbau eines Spielplatzes können Fallschutzbereiche nicht mehr benötigter Spielgeräte - statt sie mit aufwendig mit Erde zu befüllen und Rasen einzusäen - in einen blühende Spielmulde oder einen abgesenkten Sitzplatz umgestaltet werden.

Mähgut immer wegführen, um die Nährstoffe zu reduzieren.

  1. Gstettn nachbauen

Der Gstettn-artige Charakter von naturnahen Anlagen entsteht dadurch, dass neben der gezielten Aussaat oder Initialpflanzung von Wildstauden und -gräsern auf Spontanbegrünung gesetzt wird, statt zum Rasensamensackerl zu greifen. Spontanbegrünung ist immer eine Kombination von Pflanzenarten der unmittelbaren Umgebung bzw. der verwendeten Erde. Die Devise lautet: je nährstoffärmer das Substrat, umso besser für die Artenvielfalt Ist es nicht möglich, an Ort und Stelle Rohboden zu verwenden, kann auch mit der nährstoffreicherer Erde gearbeitet werden. Dies ist vor allem bei tiefgründigen lehmhaltigen Böden der Fall.

Spontan begrünte Wälle und Hügel kommen einer Gstettn schon sehr nahe. Wurden Gehölze gesetzt, verschwinden die krautigen Pflanzen in einigen Jahren und es entstehen Strauchtunnel etc.

Ein Naturspielplatz ändert sein Aussehen mit den Jahren. Das soll auch so sein.

  1. Baumstämme wieder verwerten

Zum Beklettern, Balancieren oder Übersteigen als Teil eines Bewegungsparcours, als Abgrenzung von Sandanlagen sind Baumstämme zugleich auch Sitzgelegenheit für Eltern, dienen als Sitzstockerl in der Freiluftklasse einer Schule,… In vielen Gemeinden müssen leider immer wieder erkrankte Kastanien (Miniermottenbefall) oder Eschen (Pilzbefall) gefällt werden. Da liegende Stämme keine statische Funktion haben, können Stämme erkrankter Bäume auf dem Naturspielplatz noch einen guten Zweck erfüllen. Als zerfallendes Totholz sind sie zudem ein wertvolles Kleinstbiotop.

Mit diesen Elementen ist der Grundstein für einen ökologisch wertvollen und kindgerechten Spielplatz gelegt. Spielgeräte sind auch Teil des Naturspielplatzes, vor allem jene Geräte, die die Kinder in ihrer Motorik und ihrem Mut fördern, wie Hangelstrecken, hohe Schaukeln, Kletterwände,…
Dabei sollten unbedingt nur unbehandelte Hölzer aus Lärche oder Robinie verwendet werden. Im Sinne der Nachhaltigkeit auch an die Regionalität der Materialien denken: Kiese und Sande von umliegenden Betrieben beziehen.

 

Konstanze Schäfer, Rewisa-Netzwerk

Konstanze Schäfer ist seit 2003 als selbständige Landschaftsplanerin tätig. Sie hat sich insbesondere mit der Planung von Naturspielplätzen einen Namen gemacht. Mehr als 80 Projekte hat sie bei der Realisierung betreut. Viele ihrer Spielelemente sind der Natur entnommen, in der Kinder bekannterweise ja besonders intensiv spielen. Von der Schaffung ökologischer und extensiv zu pflegender Grünräume profitieren letztendlich alle. Um auch wirklich ALLE zu erreichen, sind ihr barrierefreie Spiel- und Naturelemente ein großes Anliegen.

Als Referentin stellt sie ihr Wissen und ihre Erfahrung Gemeinden und Bildungseinrichtungen im Rahmen von Vorträgen und Workshops Verfügung. Sie hat ein Büro in Berndorf (NÖ) und Alkoven (OÖ) und ist als Gartenberaterin von Natur-im-Garten tätig.

www.k-schaefer.at


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