Das geneigte Spiralzahnmoos bildet bis zu 3 cm hohe, dichte, hell- bis gelbgrüne Rasen auf offenen Kalkrohböden und ist durch den Standort, die Bildung ausgedehnter Bestände und seine kurz lanzettlichen, feucht aufrecht abstehenden und trocken gekräuselten Blätter gut kenntlich. Der Naturschutzbund und die Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V. haben es zum Moos des Jahres 2023 ernannt.
Aussehen
Die Art tritt in bis zu mehreren Quadratmeter großen Rasen auf. Die Sprosse sind aufrecht, gleichmäßig dicht beblättert und im unteren Stängelteil mit einem Filz aus einzellschichtigen Fäden (Rhizoiden) besetzt. Die feucht aufrecht abstehenden, trocken gebogenen, eingedrehten bis gekräuselten Blätter sind lanzettlich, schwach wellig und enden ziemlich plötzlich in einer kapuzenförmigen Spitze einer aus der austretenden Rippe gebildeten Stachelspitze. Die Zellen im oberen Blattteil sind mehr oder weniger rundlich quadratisch, dicht mit Papillen besetzt und bilden eine mehrlagige, undurchsichtige Lamina. Im unteren Blattteil sind die Zellen dagegen rechteckig, dünnwandig, glatt und bilden eine einzellschichtige, durchscheinende Lamina; beide Bereiche sind durch eine steil V-förmige Linie scharf voneinander getrennt. Die unten rötliche, oben gelbliche Seta trägt eine länglich eiförmig-zylindrische, oft etwas eingekrümmte Kapsel mit fadenförmigen, spiralig gewundenen Peristomzähnen, einem langschnäbligen Deckel sowie einer schmalen und langen, kapuzenförmigen Kalyptra. Ein wichtiges mikroskopisches Merkmal sind die glatten länglichen Zellen, die die Rippe dorsal und ventral bedecken.
Verwechslungen sind bei gut ausgebildeten Polstern in Kalkmagerrasen kaum möglich. Die nahe verwandte Tortella tortuosa greift gelegentlich von ihren Felsstandorten in steinige Magerrasen über, ist aber durch ihre viel längeren und allmählich scharf zugespitzten Blätter leicht zu unterscheiden. Die Arten des Tortella bambergeri-Komplexes unterscheiden sich durch brüchige Blattspitzen. Ebenfalls in Kalkmagerrasen treten gerne dichte Polster von Encalypta vulgaris auf, die aber breitere, stumpfliche Blätter besitzt, kein Peristom aufweist und eine mützenförmige Kalyptra hat.
Ökologie
Tortella inclinata ist eine basenliebende Pionierart auf Kalkrohböden aller Art, die neben ihren natürlichen Vorkommen auf Felsköpfen und -absätzen, Kalkmagerrasen, Gletschervorfeldern sowie auf Schotterflächen an Fluss- und Seeufern gerne auch in Kiesgruben und Steinbrüchen, an Böschungen, auf dem Mittelstreifen von Schotterwegen, Gleisschotter, auf Mauern oder auf Kiesdächern vorkommt. Sie ist die Charakterart einer eigenen Gesellschaft, des Tortelletum inclinatae. Charakteristische Begleiter sind Abietinella abietina, Barbula convoluta, Didymodon spp., Ditrichum flexicaule, Encalypta vulgaris, Tortella tortuosa und Trichostomum crispulum.
Die lichtliebende und trockenheitsresistente Art hat sicher eine hohe Eignung zur Dachbegrünung.
Verbreitung und Gefährdung
Die Art ist nahezu weltweit verbreitet (Europa, Asien, Afrika, Nord- und Südamerika, Australien)1). In Europa erstreckt sich ihre Verbreitung vom Mittelmeergebiet, wo sie eher selten ist, bis nach Nordnorwegen und von Irland und Portugal bis zum Kaukasus. In Mitteleuropa ist sie in den Kalkgebieten weit verbreitet und steigt von der Küste (hier wie im ganzen Norddeutschen Flachland selten und vor allem an Sekundärstandorten) bis in die alpine Stufe; in der Schweiz liegt ihr höchster Fundort bei 2867 m3). Eine Verbreitungskarte für Deutschland findet sich bei Meinunger & Schröder (2007).
Da die Art freudig Sekundärlebensräume wie Kiesgruben und Schotterflächen aller Art besiedelt, ist sie in Mitteleuropa nicht gefährdet; sie ist auch auf keiner der Roten Listen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz aufgeführt. Auch in der IUCN-Liste für Europa wird sie unter „Least Concern – LC“ geführt. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre natürlichen und halbnatürlichen Lebensräume wie lückige Kalkmagerrasen und Kiesflächen an Fluss- und Seeufern im letzten halben Jahrhundert extrem zurückgegangen sind und sich teilweise immer noch im Rückgang befinden.
Biologie
Die Art ist zweihäusig, weshalb die Bildung von Sporophyten nicht häufig ist. Die Sporophyten sind sowohl hauptsächlich in natürlichen Lebensräumen, aber auch an Sekundärstandorten zu finden, wo weibliche und männliche Pflanzen nebeneinander vorkommen. Tortella inclinata ist aber in der Lage, sich durch das Abbrechen und Verwehen bzw. Verschleppen einzelner Stängel generativ zu verbreiten; dass dies gut funktioniert, zeigt die relativ rasche Besiedlung von Sekundärhabitaten der Art.
Text von Wolfgang von Brackel und Martin Nebel. Weitere Informationen über Moose bei der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V.
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