Wenn der Sommer seinen Höhepunkt erreicht, dann schlüpft der Silbergrüne Bläuling und fliegt oft bis in den frühen Herbst hinein. Aber nur wo geeignete Kalkmagerrasen oder Sandtrockenrasen vorhanden sind, kann man sich an diesem Insekt erfreuen können. Diesem Umstand verdankt der „Silbergrüne Bläuling“ seine Ernennung zum „Insekt des Jahres 2015“: Er ist ein wichtiger Botschafter für Mager- und Trockenrasen.
Silbergrünes Blau und samtenes Braun
Beim Silbergrünen Bläuling gibt es einen sehr markanten Unterschied zwischen den Geschlechtern, den sogenannten Geschlechtsdimorphismus, wie bei vielen anderen Bläulingen auch. Nur das Männchen besitzt auf der Oberseite der Flügel das in Mitteleuropa unverwechselbare helle silbrige Blau mit einem oft kräftigen braunen Flügelsaum. Das Weibchen dagegen weist eine samtbraune Färbung der Flügeloberseite auf. Man muss sehr aufpassen, es nicht doch mit einer der anderen verwandten Arten zu verwechseln. Auch auf der Unterseite mit den vielen charakteristischen Punkten weist das Männchen eine viel hellere Färbung auf als das Weibchen.
Auf den Magerrasen kommt es an!
Der Silbergrüne Bläuling ist bezüglich seiner Lebensräume wählerisch. Allgemein ist er beschränkt auf Regionen mit basischen Böden, in den meisten Fällen also Kalkböden, aber auch basische Vulkanite oder basenreiche Sandböden. In Regionen mit saurem Untergrund fehlt er deshalb grundsätzlich. Aber auch in Kalkgebieten ist er wählerisch, denn er braucht kurzrasige Magerrasen mit hohem Blütenreichtum, die eine ausreichende Zahl an "Nektartankstellen" bereitstellen. Wird die Nutzung solcher Lebensräume intensiviert, so verschwindet der Bläuling als eine der ersten Arten. Auch bei Aufgabe der Bewirtschaftung und der dann langsam einsetzenden natürlichen Sukzession, also dem Verfilzen der Rasen und dem Aufkommen von Gebüschen und später auch Bäumen, nimmt er nach einiger Zeit seinen Abschied. Der Silbergrüne Bläuling wird unter den mitteleuropäischen Tagfaltern deshalb als eine der besten Indikatorarten für gut erhaltene basenreiche Magerrasen angesehen.
Solche Lebensräume zählen zu den artenreichsten, die wir überhaupt in Mitteleuropa besitzen. Hier können wir viele andere, zum Teil weitaus seltenere Arten von Tagfaltern und anderen Insekten antreffen. Auch die Vielfalt an seltenen Pflanzen, unter ihnen viele Orchideen, ist enorm. Ob ein Lebensraum diese Wertigkeit besitzt, wird uns also durch Polyommatus coridon verraten. Sein "Wohlergehen" ist ein wichtiger Hinweis für die Stabilität der gesamten Lebensgemeinschaft eines Magerrasens. Als eine der Charakterarten von basischen Magerrasen kann er gewissermaßen als "Frühwarnsystem" für die Verschlechterung von Lebensräumen eingesetzt werden; hierdurch ist dieser Bläuling von hoher Relevanz für den Arten- und Biotopschutz.
Wählerische Raupen
Während der Schmetterling Blüten unterschiedlicher Pflanzenarten zur Nektaraufnahme nutzt, besonders gerne aber Flockenblumen und Skabiosen, sind die Raupen viel wählerischer: Am allerliebsten fressen sie nämlich an einer einzigen Pflanzenart, dem Hufeisenklee Hippocrepis comosa. Nur in Ostösterreich und den deutschen Bundesländern Brandenburg und Sachsen sind sie auch bei der Bunten Kronwicke Coronilla varia "auf den Geschmack" gekommen. Diese Flexibilität zeigen sie übrigens auch im ganzen südöstlichen Europa - weiter im Westen, etwa in Frankreich und Italien, bleiben sie dem Hufeisenklee eisern treu.
Seltsame Liebschaften: Ameisen und Bläulinge
Aber das ist noch nicht alles über die Raupen, denn wie viele andere Bläulinge auch sind sie myrmecophil, das heißt sie gehen eine enge Beziehung mit Ameisen ein. Im Fall des Silbergrünen Bläulings profitieren beide Partner davon. Die Raupen besitzen spezielle Drüsen, aus denen sie ein süßes Sekret ausscheiden, das die Ameisen fressen. Als "Gegenleistung" verteidigen die Ameisen ihre Raupen gegen Feinde, verhindern zum Beispiel die Eiablage parasitischer Wespen. Der Räuber wird also zum Beschützer. Hierbei lassen sich die Raupen von Polyommatus coridon auf verschiedene Ameisenarten ein. So wurden sie im deutschsprachigen Raum schon zusammen mit verschiedenen Arten aus beispielsweise den Ameisengattungen Lasius, Tetramorium und Myrmica nachgewiesen. Dieser Schutz funktioniert aber nicht immer, denn auch viele Bläulingsraupen werden parasitiert.
Ein echter "Europäer"
Der Silbergrüne Bläuling ist mit seiner Verbreitung auf Europa beschränkt. Hier fehlt die Art jedoch in Skandinavien und Finnland ganz, kommt auf den Britischen Inseln nur im extremen Süden und auf der iberischen Halbinsel nur im Norden vor. Weiter im Süden Spaniens wird sie durch nah verwandte Arten ersetzt. In Deutschland fehlt sie nur im äußersten Norden und Nordwesten. In Österreich und der Schweiz ist sie landesweit verbreitet, fehlt jedoch in den Hochlagen der Alpen, wo sie ab 2000 m Seehöhe deutlich an Häufigkeit verliert.
Die letzte Eiszeit hat Polyommatus coridon in Rückzugsgebieten in Italien und auf der Balkanhalbinsel überlebt, wo sich unterschiedliche morphologisch und genetisch unterscheidbare Linien ausgebildet haben. Aus diesen beiden Refugien heraus wurde dann in der aktuellen Warmzeit Mitteleuropa besiedelt. Der größte Teil des deutschsprachigen Bereichs wurde hierbei aus Italien besiedelt, der Osten (Ostösterreich, Brandenburg, Sachsen) jedoch von der Balkanhalbinsel ausgehend. In den Kontaktzonen, wo beide Linien aufeinander treffen, können sich diese auch vermischen, was vor allem in den östlichen Alpen beobachtet wird.
Lebenszyklus
Der Silbergrüne Bläuling ist im deutschsprachigen Raum strikt einbrütig, besitzt also pro Jahr nur eine einzige Generation ab Mitte Juli. Das ist auch fast im gesamten Verbreitungsgebiet der Art so; nur in der südwestlichen Slowakei gibt es wenige Populationen, die auch eine Generation im späten Frühjahr und Frühsommer zusätzlich ausbilden; aber niemand weiß warum. Auch nah verwandte Arten, wie der in Südfrankreich und Ostspanien verbreitete Polyommatus hispana, der äußerlich genauso aussieht wie unser Bläuling, besitzen zwei Generationen pro Jahr.
Die Weibchen von Polyommatus coridon legen ihre Eier nach der Befruchtung etwa ab Ende Juli ab. Hierbei werden die Eier nicht immer direkt an die Raupenfraßpflanze angeheftet, sondern oft auch an trockene Grashalme oder Moos in ihrer Nähe. Bei Ablage an Hufeisenklee oder Bunte Kronwicke erfolgt diese jedoch nicht an die frischen Blätter und Triebe, sondern an trockenere Pflanzenteile. Die schlupfreife Jungraupe verbringt den Winter in der Eihülle und verlässt diese mit der ersten warmen Frühlingssonne ab Mitte März. Die Raupen wachsen dann zügig heran, wenngleich langsamer als bei der Mehrzahl der mehrbrütigen Bläulingsarten, und verpuppen sich meist in der ersten Junihälfte in der Streuschicht in der Nähe ihrer Fraßpflanzen.
Ab Mitte Juli erfolgt dann der Schlupf der Falter. Der Silbergrüne Bläuling ist dabei überraschend „pünktlich“. Falter vor dem 10. Juli sind die absolute Ausnahme und auch vor dem 15. Juli ist früh; nur eine Woche später ist er dann jedoch an seinen guten Flugstellen sehr zahlreich zu beobachten, und das jedes Jahr. Man kann gewissermaßen den Kalender nach ihm stellen, denn sein Auftreten markiert den Höhepunkt des Sommers. Die Weibchen schlüpfen meist einige Tage später als die Männchen gegen Ende Juli oder sogar Anfang August. Ab Mitte August gehen dann die Individuenzahlen wieder merklich zurück und die Mehrzahl der Falter ist deutlich „abgeflogen“, ihre Flügel zeigen also stärkere Abnutzungserscheinungen. Die letzten Männchen findet man meist nicht später als Anfang September, einzelne Weibchen kann man jedoch oft bis Mitte September antreffen, selten sogar bis Anfang Oktober. Dann müssen wir wieder bis zum nächsten Hochsommer warten, um uns am leuchtenden Silberblau auf unseren Magerrasen erfreuen zu können.
Das Insekt des Jahres für Österreich wurde vom | naturschutzbund | sowie der Österreichischen Entomologischen Gesellschaft (ÖEG) gekürt.