2026: Warzenbeißer

Decticus verrucivorus

Der Warzenbeißer gehört zu den größten und bulligsten Insekten Österreichs und sein bedrohlich wirkender Name macht neugierig, um welches Tier es sich denn dabei handeln mag. Stellvertretend für viele andere Heuschreckenarten spielt er eine immer wichtigere Rolle als Indikatorart für naturschutzrelevante Flächen. Vielleicht waren es ja diese Argumente, die dem Warzenbeißer, Decticus verrucivorus, die Kürung zum "Insekt des Jahres 2026" durch das zuständige Kuratorium einbrachte. Erfahren Sie mehr über dieses spannende Kerbtier!

© Sylvia Wanzenböck

Kleiner Riese
Mit einer Kopf-Rumpflänge von 26 bis 42 mm zählt der Warzenbeißer zu den größten Heuschrecken Mitteleuropas, rechnet man den Legebohrer der Weibchen mit dazu, kann das Tier fast sieben cm Länge erreichen. Durch seine – trotz der Größe – gedrungene bullige Gestalt wirkt er aber nicht so grazil wie die nahezu gleich großen und bekannteren Grünen Heupferde. Seine Grundfarbe ist recht variabel, wobei der grüne Farbton meist dominiert, daneben kommen aber immer wieder braune, graue oder sogar rosaviolette Tiere in allen möglichen Mischformen vor. Die meist körperlangen Flügel sind mit dunklen und hellen Flecken durchsetzt, gelegentlich treten auch Individuen mit längeren Flügeln auf. Auffällig sind auch die – im Erwachsenenalter – stets dunklen Augen, die ähnliche Arten in Österreich nicht haben.

Die unvollkommene Verwandlung
Wie alle Heuschrecken gehört der Warzenbeißer zu den hemimetabolen Insekten, das heißt: Bei der larvalen Entwicklung kommt es zu einer allmählichen Ausbildung imaginaler Merkmale, insbesondere der Flügel und der Geschlechtsorgane. Es fehlt auch das Puppenstadium, daher nennt man diese Entwicklungsform auch „unvollkommene Verwandlung“. Die Eier werden im Sommer und Herbst in den Boden gelegt, bevorzugt an offenen, vegetationslosen Stellen, die aber dennoch eine gewisse Feuchtigkeit aufweisen müssen. Die Nymphen schlüpfen meist im übernächsten Jahr, gelegentlich aber auch schon im folgenden Frühjahr, selten aber doch überwintern die Eier auch bis zu sieben Mal – vor allem in höheren Lagen oder bei ungünstiger Witterung. Obwohl die Nymphen sieben Larvenstadien durchlaufen, können schon ab Juni erwachsene Tiere angetroffen werden.

Zick – Zick – Zick
Wie viele seiner Verwandten können männlichen Warzenbeißer „stridulieren“: Das sogenannte „Stridulieren“, was so viel wie das Lautmalen der Heuschrecke bedeutet, wird – wie bei fast allen Langfühlerschrecken – folgendermaßen erzeugt:  Die Laute entstehen durch das Aneinanderreiben der sogenannten „Schrillleiste“ sowie der „Schrillkante“, die sich an den Vorderflügeln befinden. Der recht laute Gesang beginnt meist mit unregelmäßig vorgetragenen "zick"-Lauten, deren Abstände sich immer mehr verkürzen bis sie schließlich als typisches monotones "Geschäpper" aus den Wiesen ertönen. Dabei bewegen sich die Tiere entweder am Boden oder klettern auf senkrechte Halme, wo sie gerne kopfüber angetroffen werden. Bei Bedrohung lassen sie sich blitzschnell in die Vegetation fallen: Damit ähneln die kleinen Riesen in ihrem Fluchtverhalten eher Mäusen oder Froschlurchen da sie in der Regel nicht in die Weite springen oder gar auffliegen, wie man es von anderen Heuschrecken kennt.

Breite Palette an Lebensräumen
Der Warzenbeißer besiedelt eine Vielzahl an Lebensräumen, einerseits trockene Wiesen und Halbtrockenrasen, andererseits aber auch Feucht- und Moorwiesen. Auch Ackerbrachen zählen zu seinen bevorzugten Habitaten. Diesbezüglich gibt es auch große regionale Unterschiede, so bevorzugt er im Osten Österreichs kurzrasige Flächen, während er beispielsweise in Tirol in verbrachenden Halbtrockenrasen häufiger nachgewiesen wurde als etwa in niederwüchsigen Magerrasen. Wichtig dürfte ein Mosaik an Offenböden und vertikalen Pflanzstrukturen wie Grashorsten, Hochstauden oder Zwergsträucher sein.

Warzenbeißer als hochsensible Zeigerart
Die Rolle als Bioindikatoren betreffen fast alle Insektenfamilien, besonders Heuschrecken reagieren oft sehr rasch auf Veränderungen ihrer Umgebung: So sind ihre Anwesenheit bzw. ihr Fehlen Hinweise auf die Qualität eines Biotopes. Das trifft besonders stark auf den Warzenbeißer zu, denn sowohl zu hohe und dichte Vegetation als auch eine intensivierte Nutzung oder Düngung der Flächen bewirken einen raschen Rückgang dieser Art. Im Gegenzug dazu hat aber eine völlige Nutzungsaufgabe interessanterweise exakt denselben Effekt.

Vorsicht bissig!
So wie viele Laubheuschrecken, insbesondere aus der Unterfamilie der Beißschrecken, vermag der Warzenbeißer recht kräftig zuzubeißen. Diese Eigenschaft brachte ihm wohl seinen doch recht eigenwilligen Namen ein, zumal man dem gleichzeitig ausgewürgten braunen Magensaft warzen- verödende Eigenschaften nachsagte. Dies machte man sich, besonders in Skandinavien, als Behandlungsmethode zunutze. Immerhin konnte man bei immunbiologischen Analysen des Sekretes eine hohe zellauflösende, jedoch blutgruppenspezifische Enzymaktivität nachweisen.

Text: Werner Reitmeier

Ernenner: Österreichische Entomologische Gesellschaft https://www.entomologie.org/, Naturschutzbund Österreich: https://naturschutzbund.at/

Bilder: Alle Bilder auf dieser Seite dürfen für Pressezwecke in Zusammenhang mit Berichten über die Natur-des-Jahres-Themen unter Angabe der Bildquelle verwendet werden. Wir bitten Sie um ein Belegexemplar.

 

Zurück

.