2021: Dachstein-Blindkäfer

(Arctaphaenops angulipennis)

© Christian Komposch / ÖKOTEAM

Wie alle echten Höhlentiere verbringt der knapp 6 mm große Höhlenkäfer Arctaphaenops angulipennis (MEIXNER 1925) sein gesamtes Leben unterirdisch. Er hat sich an Dunkelheit, Kälte und die geringe Nahrungsverfügbarkeit optimal angepasst. Ein erfolgreicher Räuber, der mit seinen kräftigen Mundwerkzeugen kleinere Höhlentiere erbeutet. An der Sonne, außerhalb seines Lebensraumes, kann er jedoch nicht überleben.

Bereits zum dreizehnten Mal kürt der Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher ein Höhlentier des Jahres. Im Internationalen Jahr der Höhlen und des Karsts 2021 wird diese Aktion erstmals weltweit durchgeführt. Die Wahl fiel auf die Gruppe der Höhlenkäfer, aus der jedes teilnehmende Land eine regional vorkommende cavernicole Käferart auswählen und präsentieren kann. Der Verband Österreichischer Höhlenforscher schließt sich dieser internationalen Kampagne an und wählte den Dachstein-Blindkäfer, Arctaphaenops angulipennis (Meixner 1925), zum Höhlentier des Jahres 2021 in Österreich.

Als erster Höhlenkäfer nördlich der Draulinie wurde der blinde Laufkäfer Mitte der 1920er Jahre in der Koppenbrüllerhöhle im oberösterreichischen Dachsteingebiet entdeckt und überraschte als eiszeitlicher Überlebender. Nach damaliger einheitlicher Meinung der Forscher kamen aufgrund der pleistozänen Eiszeit keine troglobionten Käfer nördlich dieser Linie vor. Die Auswirkungen der Kaltzeiten auf die Fauna der Nördlichen Kalkalpen war verheerend (Holdhaus 1954), doch einige wenige Höhlentiere haben am Nordrand des vergletscherten Gebietes überdauert. Es war reiner Zufall und Glück als dem Linzer Höhlenforscher Franz Porod der Käfer vor die Lampe lief (Vornatscher 1950).

Alle troglobionten Laufkäfer der Nördlichen Kalkalpen zählen zur Gattung Arctaphaenops, der aktuell drei Arten angehören (Daffner 1993): Die Art mit dem größten Verbreitungsgebiet, A. angulipennis, teilt sich in zwei Unterarten auf. Der Dachstein-Blindkäfer, A. angulipennis angulipennis, ist aus mindestens 23 unterirdischen Lebensräumen im Dachsteingebiet und im Toten Gebirge bekannt (Fritsch & Gaisberger 2002). Weiter östlich in den Gesäusebergen und den steirisch-niederösterreichischen Kalkalpen kommt der Steirische Nordostalpen-Blindkäfer, A. angulipennis styriacus (Winkler, 1933), vor (Paill & Kahlen 2009; Komposch et al. 2016).

Mit dieser Aktion soll auf die hohe Schutzwürdigkeit von Höhlenorganismen und ihrer unterirdischen Lebensräume aufmerksam machen. Die Erforschung solcher einzigartigen und sensiblen Ökosysteme und der darin vorkommenden Arten ist wichtig für den Erhalt der Artenvielfalt. Die endemischen Blindkäfer stehen daher stellvertretend für alle seltenen Tierarten, deren Lebensraum und -weise unter Tage versteckt und noch nicht zur Gänze erforscht sind.

Text: K. Bürger & E. Christian

Das Foto zeigen den Steirischen Nordostalpen-Blindkäfer (Arctaphaenops angulipennis styriacus).

Link zum internationalen Höhlentier in den teilnehmenden Ländern

 

Literatur:
Daffner H. (1993): Die Arten der Gattung Arctaphaenops Meixner, 1925 (Coleoptera, Carabidae). – Koleopterologische Rundschau, 63: 1-18.
Fritsch E. & K. Gaisberger (2002) Die Fundstellen von Neobisium aueri (Pseudiscorp.) und Arctaphaenops angulipennis (Coleopt.) im Toten Gebirge. Mitteilungen des Landesvereines für Höhlenkunde in Oberösterreich 48. Jahrgang - 2002/1, Gesamtfolge 108: S. 30-48
Holdhaus K. (1954) Die Spuren der Eiszeit in der Tierwelt Europas. – Universitätsverlag Wagner, Innsbruck: 493 pp.
Komposch C., D. Kreiner & W. Paill (2016) Steirischer Höhlenkäfer im Nationalpark entdeckt. Im Gseis – Das Nationalpark Gesäuse Magazin, Winter 2016: S. 51
Paill W. & Kahlen M. (2009) Coleoptera (Käfer). In: W. Rabitsch & F. Essl (eds.): Endemiten – Kostbarkeiten in Österreichs Pflanzen- und Tierwelt. Naturwissenschaftlicher Verein für Kärnten und Umweltbundesamt GmbH, Klagenfurt und Wien: 627-783.
Vornatscher J. (1950) Arctaphaenops angulipennis Meixner. Der voreiszeitliche Höhlenlaufkäfer Oberösterreichs. Funde und Forschungen 1924-1949. – Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, 95: 351-355

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