2026: Wiesen-Glockenblume

Campanula patula

Die Wiesen-Glockenblume ist eine zweijährige bis ausdauernde, lockerrasig wachsende, meist 30 bis 60 cm hoch werdende Art der Fettwiesen, Niedermoorwiesen, seltenen Magerwiesen und schottrigen Ruderalstellen. Im Pannonikum tritt die Art zudem an lichten Stellen in trocken-warmen Eichenmischwäldern auf. Die Äste des Blütenstandes sind locker ausgebreitet, ihre verwachsenen Kronblätter etwa bis zur Mitte gespalten, die freien Kronzipfel ausgebreitet. Hauptblütezeit ist Mai bis Juli.

© Michael Hohla

Bei den Glockenblumen sind die Blüten ausgeprägt vormännlich, die Staubblätter reifen also vor den Fruchtblättern. Schon in der Knospe wird der Pollen am bürstenartig behaarten Griffel (Griffelbürste) abgelagert und dann später durch Zurückziehen der Griffelhaare freigegeben. Es handelt sich um sogenannte sekundäre Pollenpräsentation, das heißt, dass in der geöffneten Blüte der Pollen nicht auf den Staubbeuteln, sondern am Griffel präsentiert wird. Der Griffel dient quasi als „Kletterstange“ für Insekten. Bestäuber sind vor allem Bienen und Hummeln. Die Fruchtreife erfolgt von August bis Oktober. Die halbkugeligen Kapselfrüchte geben ihre Samen aus drei kleinen Öffnungen oberhalb ihrer Mitte ab, wenn Wind oder Tiere daran rütteln.Die sehr leichten Samen werden außerdem als Körnchenflieger ausgebreitet.

In der Exkursionsflora werden drei Unterarten unterschieden: erstens die seltene diploide Unterart costae als Art trockener, sandiger, schottriger, sonnig-warmer Böden, die im Gebiet der Exkursionsflora nur in Südtirol vorkommt. Zweitens die ebenfalls diploide namensgebende Unterart, also Nominalunterart, und drittens die tetraploide, kalkmeidende Unterart jahorinae, deren Hauptverbreitungsgebiet in Südosteuropa liegen dürfte.

Die tetraploide Unterart unterscheidet sich von der diploiden Unterart vor allem durch die Länge der Kelchblätter. Die tetraploide subsp. Jahorinae, Jahorina-Wiesen-Glockenblume, hat 13 bis 18 mm lange Kelchblätter, im Gegensatz zu den 10 bis 11 mm langen Kelchblättern der verbreiteten Nominatunterart.

Die wissenschaftliche Erforschung und Bewertung der mitteleuropäischen Sippen der Wiesen-Glockenblume, die sich zum Teil auch durch ihre Ploidiestufe – im Wesentlichen diploid und tetraploid – unterscheiden, ist noch nicht abgeschlossen. Im Gesamtverbreitungsgebiet der Art, das von Europa bis Sibirien reicht, wird eine Reihe von Unterarten und Varietäten unterschieden.

Gefährdung der Wiesen-Glockenblume
Der Großteil der österreichischen Vorkommen der Wiesen-Glockenblume gehört zur Unterart patula und wird Gewöhnliche Wiesen-Glockenblume, Campanula patula subsp. patula, genannt. Ihr Auftreten ist heute keineswegs mehr „gewöhnlich“, zählt sie doch zu den am stärksten rückläufigen Arten unserer Flora. Vor allem in den überdüngten Fettwiesen des nördlichen Alpenvorlands ist sie heute durch die intensive Bewirtschaftung als Vielschnittwiesen oft verschwunden.

In den Beratungen während der Arbeitsphase zur Roten Liste Oberösterreichs wurde die Vorwarnstufe für die Wiesen-Glockenblume zwar intensiv diskutiert, doch trotz der bereits deutlich erkennbaren Rückgänge wurde angesichts der damals noch reichlicheren Vorkommen davon abgesehen. Aus heutiger Sicht ist die Vorwarnstufe in der Roten Liste Österreichs jedoch für alle Naturräume absolut gerechtfertigt.

Es ist abzusehen, dass bei anhaltendem Rückgang Campanula patula subsp. patula in naher Zukunft als gefährdet geführt werden muss. Campanula patula subsp. jahorinae gilt hingegen im Alpenraum als ungefährdet, in der Böhmischen Masse und im nördlichen Vorland als gefährdet. Aus dem südöstlichen Vorland und dem Pannonikum gibt es bisher keine Angaben dieser Unterart.

Lebensraum und Verbreitung in Österreich
Die diploide Gewöhnliche Wiesen-Glockenblume gilt im Bewusstsein älterer Pflanzenkenner*innen noch immer als eine typische Art der früheren, traditionell bewirtschafteten frischen Fettwiesen, die von den Tieflagen bis in die untere Bergstufe immer seltener anzutreffen sind. In diesen „Blumenwiesen“ wächst sie österreichweit gemeinsam mit Margeriten (Leucanthemum vulgare agg.), Schafgarben (Achillea millefolium agg.), der Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea), dem Scharfen Hahnenfuß (Ranunculus acris), dem Wiesen-Labkraut (Galium album), dem Rot-Klee (Trifolium pratense), dem Sauer-Ampfer (Rumex acetosa), dem Wiesen-Pippau (Crepis biennis) und einigen weiteren Vertretern der Glatthaferwiesen. Möchte man heute einen Wiesenblumenstrauß mit der Wiesen-Glockenblumen pflücken, gelingt dies in der unmittelbaren Umgebung meist nicht mehr. Zu selten ist diese charakteristische Art in Siedlungsnähe aufgrund des Verlustes geeigneter Wiesenstandorte geworden.

In Kärnten wachsen beide heimischen Unterarten vor allem in vom Menschen beeinflussten Habitaten, ihre Verbreitungsgebiete überschneiden sich kaum. In Oberösterreich findet man sie unter anderem auf Waldschneisen, in Waldwiesen oder an Forststraßenrändern, also an vorwiegend gestörten Wuchsorten. Die österreichischen Hauptvorkommen liegen in der submontanen und untermontanen Höhenstufe. Das heißt, sie meidet einerseits die tiefsten Lagen des Pannonikums und andererseits die Hochlagen des Alpengebiets.

 

Text: Michael Hohla

Ernenner: Naturschutzbund: https://naturschutzbund.at/startseite.html, Flora Austria: Verein zur Erforschung der Flora Österreichs: http://www.flora-austria.at/, Universität Wien: https://plantbiogeography.univie.ac.at/about-us/former-members/luise-schratt-ehrendorfer/

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