Als im heißen Juli 2013 ein Salzburger Urlauberehepaar an der Straße zwischen Weißenkirchen und Weinzierl am Walde den Kadaver einer wildfarbigen Katze an die Wildkatzenkoordinationsstelle meldete, wurden umgehend Vorkehrungen zur Bergung getroffen. Immerhin zeigte das Tier deutliche Wildkatzen-Merkmale. Die genetische Untersuchung brachte dann eine kleine Sensation zutage: Es handelte sich tatsächlich um eine echte Wildkatze, ein männliches Tier, und der Aufwand hatte sich mehr als gelohnt. Die Vermutung, dass in der Wachau ein kleines, bisher unentdecktes Vorkommen existiert, ist somit zulässig. Also wurde auf Initiative des Naturschutzbundes Österreich und in Kooperation mit der örtlichen Jägerschaft Mitte Februar – also noch während der Ranzzeit – eine Freilanderhebung im betreffenden Gebiet gestartet. Sie soll mehr Klarheit über die Bestandssituation bringen.
Das Untersuchungsgebiet umfasst Waldgebiete bei Weißenkirchen und Spitz an der Donau, die aus einem Mischwald von Buche, Eiche, Fichte und Kiefer bestehen und kleinere Freiflächen sowie felsige Bereiche aufweisen. Das Lokalklima mit relativ geringen Jahresniederschlägen, milden Temperaturen und geringen Schneehöhen im Winter ist nicht nur dem Weinbau förderlich, sondern entspricht auch in hohem Maß den Lebensraum-Ansprüchen der Wildkatze. Einzig der relativ hohe Grad an menschlichen Aktivitäten in vielen Bereichen des Untersuchungsgebietes könnte sich negativ auswirken.
Die Untersuchungsflächen wurden in erster Linie nach folgenden Kriterien ausgewählt:
> Waldgebiete, die mindestens 200 m von bewohntem Gebiet entfernt sind
> Waldgebiete, die der Wildkatze eine potenziell höhere Lebensraum-Qualität bieten (Natura 2000-Gebiete)
> Gebiete, die mindestens 50 m vom Waldrand entfernt sind
> Gebiete mit Süd- oder West-Exposition
> Gebiete im Nahbereich eines Fließgewässers
Die Auswahl für die Standorte der Lockstöcke und Fotofallen erfolgte im Zuge einer gemeinsamen Begehung mit den Jagdausübungsberechtigten und auf der Basis ihrer Erfahrung und Revierkenntnis. Dabei wurden Wildtier-Wechsel etwas abseits von Wegen oder Forststraßen als Standorte bevorzugt. Die Lockstöcke werden alle zwei Wochen auf Haare kontrolliert, die Katzenhaare aussortiert und danach einer Genanalyse unterzogen. Zusätzlich werden in unmittelbarer Umgebung der Lockstöcke Fotofallen (automatische Kameras) mit einem Bewegungs- und Infrarotsensor aufgestellt. Ein gutes Foto, das ein Tier mit den typischen Merkmalen einer Wildkatze zeigt, ist ein guter Hinweis, aber noch kein sicherer Nachweis einer Wildkatze.
Begleitet wurde das Projekt durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Ein Vortrag vor 120 Jägern im März 2014 bei der Hegeschau in Stixendorf lieferte Informationen über die Wildkatze und das Projekt. Bei dieser Gelegenheit erging ein weiteres Mal das Ersuchen an die Jägerschaft, keine wildfarbigen Katzen zu schießen. In Niederösterreich gilt die Wildkatze als jagdbares Wild im Sinne des Jagdgesetzes und ist ganzjährig geschont. Zusätzlich wird die Wildkatze in Anhang IV der FFH-Richtlinie genannt und gehört damit zu den europaweit streng geschützten Arten. Die Wachau bzw. das südliche Waldviertel gehören übrigens zu den ganz wenigen Gebieten in Österreich, in denen in jüngster Vergangenheit beide heimischen Katzenarten, Wildkatze und Luchs, zweifelsfrei bestätigt werden konnten.
Am 31.08.2014 gelang im Rahmen des Projekts ein großer Erfolg: Bei Weißenkirchen in der Wachau erfolgte erstmals der Nachweis einer Wildkatze mittels Fotofallenbild. Nach der Meinung des Wildkatzenexperten Dr. Luca Lapini (Museo Friulano di Storia Naturale Udine, Italien) zeigt das Foto eindeutig eine Wildkatze. Lapini verglich das Bild mit den Fotos aus seiner Datenbank und kam zum Schluss, dass alle äußerlichen Merkmale passen. Auch der Leiter der Jagdgesellschaft Weißenkirchen, Franz Stierschneider, schloss aus, dass es sich um eine streunende wildfarbene Hauskatze handelt, zumal ihm schon Sichtbeobachtungen einer sehr scheuen Katze mit Wildkatzen-Merkmalen im betreffenden Revier gelungen waren. Damit scheint es gelungen zu sein, in der Wachau ein weiteres Mal eine Wildkatze nachzuweisen.
Text: Mag. Peter Gerngross, Projektleiter der Bestandserhebung BIOGEOMAPS – kartografische Dienstleistungen und Wildtiermonitoring Neubaugasse 4/7-9 | 1070 Wien | peter.gerngross@biogeomaps.eu www.biogeomaps.eu | Mitglied der Plattform Wildkatze
In Niederösterreich wird seit Anfang 2015 auf Initiative von Peter Gerngross, Mitglied der Plattform Wildkatze, auch im Kamptal, beim Stift Altenburg und im Dunkelsteiner Wald bei Mitterarnsdorf mittels Lockstöcken und Fotofallen nach Wildkatzen gesucht. Bei Mitterarnsdorf konnten bisher bereits zweimal Wildkatzen auf Fotos nachgewiesen werden, im November 2016 und im Februar 2017. Im Kamptal konnten keine Wildkatzen nachgewiesen werden.
Seit 2017 betreut Peter Gerngross auch bei Aggsbachmarkt Fotofallen, mit bisher großem Erfolg: 2017 konnten bereits 2x Wildkatzen auf Fotofallenbildern bestätigt werden, von einem Jäger gibt es in diesem Gebiet ebenfalls mehrere Fotofallennachweise. Aufgrund eines Fotofallennachweises, der Anfang 2017 bei der Melde- und Koordinationsstelle einging, stellte Peter Gerngross Ende 2018 auch Fotofallen nördlich der Donau bei Schwallenbach auf - wir sind gespannt auf die ersten Bilder! Auf Initiative der Österreichischen Bundesforste stehen auch im Rosaliengebirge, im Forstrevier Haselbach und Münichreith Lockstöcke und Fotofallen. Der NP Thayatal stellte Anfang 2018 im Zuge seines Projekts "Connecting Nature" erneut 30 Fotofallen und Lockstöcke in vielversprechenden Gebieten auf. Im benachbarten NP Podyji stehen ebenfalls 25 Lockstöcke - so kann der mögliche Wildkatzenkorridor zwischen Ö und CZ bestens dokumentiert werden.