2021: Zweihöcker-Spinnenfresser

(Ero furcata)

Der Zweihöcker-Spinnenfresser, Ero furcata (Villers, 1789), gehört zur gleichnamigen Familie der Spinnenfresser (Mimetidae). Diese Spinnenfamilie zählt weltweit 154 Arten, in Europa sind zehn Arten bekannt; davon sind neun in der Gattung Ero gelistet. Neben Ero furcata haben drei weitere Arten dieser Gattung ihren Verbreitungsschwerpunkt in Mitteleuropa:  Ero alphana (Walckenaer, 1802), E. cambridgei Kulczyński, 1991 und E. tuberculata (De Geer, 1778).

© Sabine Schmitz
Verbreitung und Lebensraum
Der Zweihöcker-Spinnenfresser ist paläarktisch verbreitet. In Mitteleuropa ist die Art vornehmlich an die planar-kolline Höhenstufe (bis 800 m Seehöhe) gebunden, kann aber auch in montane Gebiete (bis 1.500 m) vordringen; in Österreich gibt es sogar Fundmeldungen aus einer Geröllhalde in 2.000 m Seehöhe.
Man kann den Zweihöcker-Spinnenfresser in naturnahen Standorten antreffen, meist findet man ihn in der Bodenstreu verschiedener Waldtypen, aber auch im unteren und (gelegentlich) mittleren Stammbereich von Bäumen; des Weiteren an Waldrändern, in Sträuchern und an Wärmestandorten. Der Zweihöcker-Spinnenfresser gilt als nicht gefährdet.

Beschreibung
Die Körperlänge des Männchens beträgt 2,5 - 3 mm, die des Weibchens 3,5 – 4,8 mm. Der Vorderkörper ist mittig erhöht, hellbraun gefärbt und weist eine charakteristische schwarze Zeichnung auf; der Hinterkörper ist kurz und auffällig kugelig gewölbt, ebenfalls hellbraun bis gelblich gefärbt, mit dunklen Flecken und zwei stumpfen Höckern im vorderen Bereich. Die Beine sind meist klar geringelt, zudem sind die beiden vorderen Beinpaare länger als die restlichen Beine.

Lebensweise
Der Zweihöcker-Spinnenfresser ernährt sich - wie sich bereits aus seinem deutschen Namen vermuten lässt, ausschließlich von anderen Spinnen, v. a. von Netzspinnen. Er baut kein eigenes Netz, sondern besucht am Abend und in der Nacht aktiv Netze von z. B. Kugelspinnen, wo er durch geschicktes Zupfen ein ins Netz gegangenes Beutetier vortäuscht. Die dadurch angelockte Netzinhaberin wird mit den langen Vorderbeinen gepackt, ins Bein gebissen und anschließend ausgesaugt. Nicht umsonst trägt der Zweihöcker-Spinnenfresser den englischen Namen „pirate spider“.
Untertags sitzt der kleine Zweihöcker-Spinnenfresser, oft mit angezogenen Beinen, gut versteckt unter Blättern und Zweigen und ist daher nicht leicht zu entdecken. Leichter zu finden ist hingegen der charakteristische Kokon, der im Spätsommer produziert wird. Der Kokon ist tropfenförmig gestaltet, um die 4 mm groß, und besteht aus mehreren Lagen verschiedener Spinnseiden: Innen eine weiße dünne Gespinstschicht aus feiner Seide, eine mittlere Lage aus grober, fester Seide, die straff über die innere Schicht gelegt wird, und einer äußeren Hüllschicht aus gekräuselten, drahtartigen Fäden. Der Kokon wird in der Regel an einem ca. 15 mm langen, dünnen, aber steifen Faden unter Vorsprüngen, Blättern oder an Zweigen angebracht. Diese Aufhängung kann als Schutzmaßnahme gegen Eiräuber angesehen werden, verhindert aber nicht die Parasitierung durch z.B. Schlupfwespen, die bis zu 40 % der Kokons betreffen kann. Der Kokon selbst enthält meist nur 6 - 8 Eier. Die Jungspinnen schlüpfen nach der Überwinterung. Sie werden bis zum späten Frühjahr erwachsen und bauen dann eigene Kokons, die wiederum im Sommer verlassen werden. Somit ist Ero furcata ganzjährig anzutreffen.

© Gilbert Loos
Ähnliche Arten
In (Mittel-)Europa kommen – wie bereits eingangs erwähnt – drei weitere, jedoch seltenere Arten mit allerdings ähnlicher Lebensweise vor. Ebenfalls zwei Höcker am Hinterleib weist Ero cambridgei, der Sumpfspinnenfresser, auf. Er kommt ganzjährig in feuchteren Gebieten wie Hochmooren oder überschwemmten Wiesen vor und ist  etwas kleiner ist als Ero furcata. Ero aphana, der Vierhöcker-Spinnenfresser, lebt am Rand von Nadelwäldern und Sträuchern, und ist von April bis August meist in wärmeren Lagen aktiv. Ero tuberculata, der Große Spinnenfresser, hat ebenfalls vier Höcker, wobei das vordere Paar besonders groß ist; diese seltene Art kann ab Juni ebenfalls in Nadelwäldern und feuchtem Gelände angetroffen werden.



Warum wurde der Zweihöcker-Spinnenfresser zur Europäischen „Spinne des Jahres“ gewählt?
Als „Räuber unter den Räubern“ hat der Zweihöcker-Spinnenfresser eine bemerkenswerte Nahrungsbiologie entwickelt. Daher mag es überraschen, dass bislang kein Vertreter dieser Spinnenfamilie als Spinne des Jahres ausgezeichnet wurde. Auch der charakteristische Kokon bietet bei dieser Art die Möglichkeit, das Augenmerk auf die vielseitige Verwendung von Spinnseide und ihre effiziente Produktion und Verarbeitung zu richten.

© Gilbert Loos
Mit der Wahl der „Spinne des Jahres“ soll aber nicht nur eine „wenig beliebte“ Tiergruppe ins rechte Licht gerückt werden, sondern gleichzeitig erhoffen sich die Wissenschaftler, Daten zur aktuellen Verbreitung zu bekommen. In diesem Sinne: Erfreuen Sie sich an der „Spinne des Jahres 2021“ und helfen Sie mit ihrer Fundmeldung und möglichst einem Foto (von Spinne und Kokon!) bei der Dokumentation dieser Art auf www.naturbeobachtung.at
 
Gewählt wurde die „Europäische Spinne des Jahres“ von 84 Arachnologen aus 27 europäischen Ländern. Die Koordination der Wahl liegt beim Naturhistorischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der Arachnologischen Gesellschaft (AraGes) und der European Society of Arachnology (ESA).
 

Text: Christoph Hörweg

Alle Bilder auf dieser Seite dürfen für Pressezwecke in Zusammenhang mit Berichten über Natur des Jahres-Themen verwendet werden. Unbedingt die Bildquelle angeben. Wir bitten Sie um ein Belegexemplar.

 

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