Wildrosen - Ein botanisches Rätsel

Hagebutten - kennzeichnend für die Gattung Rosen. © Georg Amann

„Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm. Es hat von lauter Purpur ein Mäntlein um.“ Die meisten denken hier wohl zunächst an den Fliegenpilz. Doch in der zweiten Strophe des Kinderlieds von Hoffmann aus dem Jahr 1843 müssten die ersten Zweifel auftauchen: „Das Männlein steht im Walde auf einem Bein, und hat auf seinem Haupte schwarz Käpplein klein.“ Ein Fliegenpilz kann es also nicht sein. Angeblich ist des Rätsels Lösung die Hagebutte. Der rote und fleischig gewordene Blütenboden birgt die Nüsschen, das schwarze Käppelein ist botanisch der sogenannte Diskus. Auf die falsche Fährte führt die Ortsangabe, weiß doch jedes Kind, dass man Hagebutten kaum im Wald sondern eher an sonnigen Waldrändern oder in Gebüschen und Hecken auf Wiesen und Feldern findet. 

Verwirrende Vielfalt
Mit Rätseln konfrontiert sind auch die Wissenschaftler, die sich mit Rosen beschäftigen. So ist die große Formenvielfalt unserer heimischen Wildrosen nicht nur faszinierend, sondern sie war und ist auch eine große Herausforderung, wenn es darum geht, eine Ordnung in diese Vielfalt zu bringen. Dabei besteht keineswegs Einigkeit in der Abgrenzung der Arten. So gibt es Forscher die Arten sehr weit fassen und viele Formen darin vereinigen. Hintergrund dafür ist, dass viele unserer Wildrosen sich untereinander mischen und leicht Hybriden bilden. In Vorarlberg kennen wir heute 18 heimische Wildrosenarten. Sie wirklich gut zu kennen dauert oft ein ganzes Botanikerleben.
 
Tipps für angehende Wildrosenforscher
Wildrosenarten können nur anhand der Kombination vieler Merkmale sicher bestimmt werden. So wird man manchmal nicht umhin kommen, einen Rosenstrauch zur Blütezeit und ein zweites Mal zur Fruchtreife aufzusuchen. Im September und Oktober kann man viele wichtige Bestimmungsmerkmale sehen. Wer in die Welt der heimischen Wildrosen reinschnuppern möchte, kann also die schönen Herbsttage jetzt noch nützen.
 
Die Blüten unserer Wildrosen sind sehr vergänglich. Nur wenige Wochen im Jahr, hauptsächlich im Juni, kommt man in den Genuss blühender Sträucher. Die Rosen hatten in der Kulturgeschichte des Menschen an sich schon eine große Bedeutung, die Vergänglichkeit ihrer Blüte mag aber ein Grund dafür gewesen sein, dass die Kelten und Germanen wilde Rosenbüsche an ihren Gräbern wachsen ließen. Die Farben der Blüten heimischer Arten reichen von reinem Weiß über ein zartes Rosa bis zu kräftigem Rosenrot.
 
Dass neben Blüten auch Blätter einiger Wildrosenarten duften ist wenigen bekannt. Filzrosen duften etwa charakteristisch nach Harz, Weinrosen nach süßem Most, die Hundsrosen hingegen gar nicht. Man achte wie die Blätter behaart sind und ob sie Drüsenhaare aufweisen.
 

Ein besonderes Augenmerk sollte jetzt den reifen Hagebutten geschenkt werden. Dabei muss man der Form weniger Beachtung schenken wie den Kelchblättern. Bei vielen fallen sie schon früh ab, bei anderen bleiben sie den ganzen Winter haften. Sie können nach hinten anliegen, seitlich abstehen oder nach vorne gerichtet sein. Bald wird man auch feststellen, dass die Stiele mancher Hagebutten mit Drüsenhaaren besetzt sind und andere nicht.

Ein gutes Büchlein zum Kennenlernen der Wildrosenarten ist folgendes: TIMMERMANN G. & TH. MÜLLER (2016): Wildrosen und Weißdorne Mitteleuropas. Landschaftsgerechte Sträucher und Bäume. Verlag des Schwäbischen Albvereins. 187 S.

Lebensräume der Wildrosen erhalten
Die Vielfalt der Wildrosen erhält man letztlich nur dadurch dass man sie in ihren Lebensräumen schützt. Jede Region hat ihre ganz spezifische Ausstattung mit Wildrosenarten. Nach allem was über die Vielgestaltigkeit unserer Wildrosen gesagt wurde, wird auch klar, dass man diese Vielfalt und Regionalität nicht einfach durch Pflanzen genetisch einheitlicher Handelsware ausgleichen kann.
 
Wildrosen sind oft in der Kulturlandschaft zu finden, wo sie in Hecken und sonnigen Gebüschen gedeihen. Das Durchwachsen höherer Sträucher und Bäume in Feldgehölzen führt zur Verdrängung der lichtliebenden Rosen. Daher gehört die Pflege von Hecken zu einer wichtigen Schutzmaßnahme. Besonders artenreich können die Allmendweiden und Alpweiden sein, wo Rosen gerne Lesesteinhaufen besiedeln. Wahre Rosengärten sind beispielsweise die Brazer Allmein bei Bludenz und die Satteinser Gulmalpe bei Übersaxen. Das Schwenden, also das Zurückschneiden von Gehölzen auf der Weidefläche, gehört dabei zur traditionellen Pflege. Wenn man nicht rigoros vorgeht und Büsche stehen lässt, kann man die Wildrosen dauerhaft nicht gefährden. Letztlich wird durch diese Maßnahme der Standort erhalten.
 
Auch wenn ein Schwerpunkt der Wildrosen in Lebensräumen liegt, die vom Menschen gestaltet wurden, gibt es sie auch in der Naturlandschaft. Etwa fanden Wildrosen an felsigen Abhängen ein sonniges Plätzchen, wo sie auch heute noch zu finden sind. Ein schönes Beispiel eines solchen Lebensraumes ist der Montikel bei Bludenz oder Meschach bei Götzis.
 
Mag. Georg Amann, Biologe

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