2024: Großes Mausohr

(Myotis myotis)

Das Große Mausohr ist auf besondere Weise mit dem Menschen verbunden - in vielen europäischen Ländern wählen die Weibchen Kulturdenkmäler wie Kirchen und Schlösser für ihre Wochenstuben, was uns zeigt, wie sehr der Mensch für das Überleben dieser Fledermäuse verantwortlich ist und wie wichtig ein Netzwerk von Kultur- und Naturlandschaften ist. Mit der Wahl des Großen Mausohrs zur Fledermausart der Jahre 2024-2025 soll nicht nur auf die Erhaltungsprobleme hinweisen werden, sondern auch auf bewährte Verfahren, die überall in Europa zum Schutz dieser Art umgesetzt werden.

© Josef Limberger

Morphologie
Das Große Mausohr ist eine große Fledermaus mit einer breiten Schnauze und großen, langen Ohren. Die Rückseite ihres Körpers ist braun bis rötlich-braun, während die Unterseite schmutzig weiß oder beige ist. Der Tragus, ein senkrechter Zapfen vor der Ohrmuschel, reicht etwa bis zur Hälfte des Ohrs und hat normalerweise eine dunkel pigmentierte Spitze. Sie erreicht eine Kopf- und Körperlänge von 6,7 bis 7,9 cm und ein Gewicht von 20 bis 27 g. Ihre Flügelspannweite beträgt zwischen 35 und 43 cm.

Verbreitung und Lebensräume
Diese Art lebt in fast ganz Europa, fehlt aber (mit Ausnahme einzelner Individuen) in den meisten Teilen Skandinaviens und auf den Britischen Inseln. Die östliche Verbreitungsgrenze in Europa verläuft durch Polen und die Ukraine.

Die Populationen wurden in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts stark dezimiert und davon immer noch nicht erholt.

Um zu überleben, benötigt diese Art das ganze Jahr über eine Vielzahl von Lebensräumen. In weiten Teilen Europas ziehen die Weibchen ihre Jungen in den ruhigen Dachböden großer Gebäude auf und jagen in naturnahen Laubwäldern oder über Wiesen und Weiden in der Kulturlandschaft nach Nahrung. Für den Winterschlaf benötigt das Große Mausohr monatelang stabile mikroklimatische Bedingungen, die es in natürlichen Höhlen findet.

Sommerquartiere
Im südlichen Teil ihres Verbreitungsgebiets quartiert sich die Art im Sommer typischerweise in Höhlen, Bergwerken und anderen unterirdischen Plätzen zum Schlafen ein. Vor allem in Mitteleuropa nutzt das Große Mausohr auch künstliche Schlafplätze, z.B. Dachböden, Kirchen, Keller und große Brücken. Gelegentlich werden auch Baumhöhlen und Fledermauskästen genutzt. Mutterschaftskolonien in Höhlen können in Mitteleuropa 50 bis 5.000 Fledermäuse und bis zu 8.000 Individuen in südlichen Regionen umfassen. Diese Kolonien bestehen meist aus weiblichen Fledermäusen (manchmal ist auch eine kleine Anzahl von Männchen dabei). Sie bilden sich in südlichen Regionen normalerweise Ende März und werden im August aufgelassen. Die Männchen übernachten in der Regel einzeln und nutzen Baumhöhlen, Dächer, Türme, Fledermauskästen und Brückenspalten. Die Wahl des Schlafplatzes hängt in erster Linie von den mikroklimatischen Bedingungen (30-34 °C) und dem Grad der Parasitenbelastung ab. Die Fledermäuse bewegen sich während der Fortpflanzungszeit oft innerhalb der Kolonie, um die optimalen Standorte zu finden.

Lebensräume für die Nahrungssuche
Das Große Mausohr wählt seinen Lebensraum für die Nahrungssuche nach dem Vorkommen von Beutetieren und der leichten Zugänglichkeit zu bodenbewohnenden Gliederfüßern (z.B. Insekten, Spinnentiere) aus. Auf landschaftlicher Ebene benötigen sie große Waldgebiete und sind in einer Vielzahl von Lebensräumen anzutreffen, darunter offene Laubwälder, Waldränder, halboffene und offene Wiesen und Weiden, landwirtschaftliche Flächen und Obstgärten. Sie sind in Höhenlagen von Meereshöhe bis etwa 2.000 m zu finden, wobei sie Gebiete unterhalb von 800 m bevorzugen. Da sie sich vor allem von bodenlebenden Insekten ernähren, favorisieren sie Wälder mit großen Lichtungen und spärlicher Bodendecke. Sie können im Flug kleine Insekten wie Käfer fangen und diese dann auch gleich verzehren. Um größere Insekten zu fressen, müssen sie sich absetzen. Bei der Nahrungssuche befinden sie sich in der Regel in geringer Höhe über dem Boden und man nimmt an, dass sie eine Kombination aus Gehör und Geruchssinn nutzen, um Beutetiere zu lokalisieren. Der Lebensraum für die Nahrungssuche befindet sich üblicherweise in einem Umkreis von 5–15 km vom Schlafplatz, in Ausnahmefällen fliegen sie aber auch deutlich weiter. Das gesamte Nahrungsgebiet eines Großen Mausohrs kann bis zu 1.000 ha groß sein. Allerdings konzentrieren sich Fledermäuse normalerweise auf ein bis fünf kleinere Kerngebiete, die zwischen ein und zehn ha groß sind.

Ernährung
Die Mausohrfledermaus ernährt sich hauptsächlich von großen bodenbewohnenden Gliederfüßern (Arthropoden). Am beliebtesten sind Laufkäfer (Carabidae), von denen ein großer Teil Echte Laufkäfer (Gattung Carabus) sind, gefolgt von anderen Bodenarthropoden wie Hundertfüßer (Chilopoda), Spinnen und Käferlarven. Andere Käfer, Maulwurfsgrillen, Schnaken oder Echte Grillen sind nur selten oder saisonal als Beute von Bedeutung.

Das Große Mausohr verlässt sich bei der Jagd auf Bodeninsekten oft nicht nur auf die Echoortung: Es nutzt seine großen Ohren, um die Geräusche von Beutetieren wahrzunehmen, die in trockenen Blättern herumkriechen.

Lebensweise
Ab Mitte August schwärmen die Fledermäuse in Höhlen herum, wo sie sich gelegentlich paaren. Die Paarung findet jedoch häufiger an den Schlafplätzen der Männchen statt. In Mitteleuropa werden die Jungtiere zwischen Ende Mai und Anfang Juni geboren, im Mittelmeerraum kann dies bereits Anfang April der Fall sein. Die ersten Trainingsflüge im Alter von drei bis vier Wochen finden noch im Quartier statt, die ersten Flüge außerhalb des Schlafquartiers beginnen im Alter von etwa fünf Wochen.

Das Große Mausohr hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren. Allerdings können einige Individuen auch viel älter werden. Das älteste bekannte Individuum wurde 25 Jahre alt.

Winterschlaf
Das Große Mausohr hält seinen Winterschlaf in unterirdischen Quartieren wie Höhlen, Tunneln oder Kellern. In diesen Überwinterungsquartieren nutzt es feuchte und relativ warme Bereiche mit Temperaturen bis zu 12° C. Im Winter hängen Einzeltiere oder kleine Gruppen meist frei an der Decke oder verstecken sich tief in Spalten. Größere Ansammlungen von mehreren hundert Tieren werden selten gebildet.

Gefährdung
Das Große Mausohr wird in der Roten Liste der IUCN (International Union for Conservation of Nature) von 2016 als "nicht gefährdet" eingestuft. Auf lokaler Ebene gilt die Art jedoch als "potenziell gefährdet" oder "gefährdet" aufgrund anhaltender Bedrohungen auf regionaler und nationaler Ebene. Das betrifft vor allem den Verlust von Lebensräumen, einschließlich der Korridore zu und von Schlafplätzen und Nahrungsgebieten sowie den Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden. Diese verringern die Insektenvielfalt und führen möglicherweise zu einer indirekten Vergiftung von Fledermäusen. Der Abfluss von Pestiziden ins Wasser kann den Bestand an Wasserinsekten stark beeinträchtigen. Schließlich stellen auch die Störung und Zerstörung von Schlafplätzen eine kritische Bedrohung für die Art dar, insbesondere während der Mutterschafts- und Überwinterungs-Perioden.

Da die Fledermaus eng mit dem Menschen verbunden ist, ist es notwendig, alle Beteiligten in die Schutzmaßnahmen einzubeziehen. Jede Veränderung in unserer Umwelt, zum Beispiel in der Architektur, der Land- oder der Forstwirtschaft, hat Auswirkungen auf diese Art.

Gesetzlicher Schutz
Das Große Mausohr ist in den Anhängen II und IV der EU-Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gelistet und ist damit eine Art von besonderem Interesse für das europaweite Natura 2000-Netz. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, das Vorkommen dieser Art zu berücksichtigen, wenn sie der Europäischen Kommission Natura 2000-Gebiete vorschlagen und das Große Mausohr sowie seine Lebensräume in ihrem gesamten Staatsgebiet zu schützen

Darüber hinaus wird das Große Mausohr im Rahmen des  Abkommen zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen (UNEP-EUROBATS) im Einklang mit dem Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten(Bonner Konvention/CMS) behandelt. Alle Vertragsparteien dieses Übereinkommens (EU- und Nicht-EU Mitgliedsstaaten) sind aufgefordert, Rechtsinstrumente zum Schutz aller Fledermausarten zu verfügen, einschließlich des Großen Mausohrs.

Text: Heather Woods, Philippe Théou & Ulrich Hüttmeir

Die Fledermaus des Jahres wird ernannt von BatLife Europe https://www.batlife-europe.info

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