2017: Hepps Schönfleck

Caloplaca flavescens, syn.: Variospora flavescens

Die Extremstandorte der steilen, stark besonnten Wände sind der Lebensraum einer Vielzahl von Flechten, die dank spezieller Anpassungen gegen Austrocknung und Hitze gefeit sind. Neben vielen sehr unauffälligen, teilweise im Gestein lebenden Arten der Gattungen Warzenflechten (Verrucaria, Bagliettoa) oder Zeichenflechten (Opegrapha) sind dies vor allem die leuchtend gelben oder orange-gelben Arten der Gattung Schönfleck (Caloplaca im weiteren Sinne). Einer ihrer Vertreter ist Hepps Schönfleck (Variospora flavescens), die Flechte des Jahres 2017.

Hepps Schönfleck ist eine auffällige Flechte nackter Kalkfelsen. Der orange-gelbe rosettenförmige Thallus erreicht mehrere Zentimeter Durchmesser und ist im Inneren meistens mit Fruchtkörpern besetzt. Er gehört zur großen Sammelgattung Caloplaca, die kürzlich in etliche kleinere Gattungen aufgeteilt wurde.

© Wolfgang von Brackel

Aussehen
Das gelbe oder orange-gelbe Lager bildet dem Gestein eng anliegende Rosetten von 2 bis über 10 cm Durchmesser. Die leicht gewölbten, matten und manchmal etwas bereiften Lappen der Rosette schließen eng aneinander an und fächern nur am Rand leicht auf. Im Inneren ist der Thallus aeroliert (gefeldert) oder unregelmäßig zerrissen, oft auch weißlich erodiert. Hier sitzen in der Regel reichlich Fruchtkörper, die sich meist farblich vom Thallus abheben: Ihr Rand ist noch etwa dem Thallus gleichfarben, die Scheibe ist jedoch in der Regel dunkler orange. Die zweizelligen Sporen sind zitronenförmig und weisen ein breites Septum auf. Der photosynthetisch aktive Partner in der Flechte ist eine trebouxioide Alge. Das für die orange-gelbe Farbe verantwortliche Parietin verfärbt sich bei Zugabe von Kalilauge sofort tief violett.

Biologie
Wie etliche andere Schönfleck-Arten ist Hepps Schönfleck hart im Nehmen, was Sonneneinstrahlung und Trockenheit angeht. Vor Schädigungen durch das UV-Licht schützt sie der Farbstoff Parietin. Da Flechten keinen Verdunstungsschutz besitzen, trocknen sie in der Sonne völlig aus und verfallen in einen inaktiven Ruhezustand, in dem sie nötigenfalls monatelang überleben können. Besondere Inhaltsstoffe (wie der Zucker Trehalose) schützen die Proteine vor Denaturierung und nach dem Wiederbefeuchten kommen rasch Reparaturmechanismen an der DNA in Gang. Die Art verbreitet sich durch Ascosporen, die bei Hepps Schönfleck etwa 0,015 mm groß sind und Dank ihrer Kleinheit über weite Distanzen transportiert werden können. Die mit ihr gerne vergesellschafteten Arten Trügerischer Schönfleck (Calogaya decipiens = Caloplaca d.) und Zweifarbiger Schönfleck (Leproplaca cirrochroa = Caloplaca c.) verbreiten sich dagegen asexuell durch Soredien, der Körnchen-Schönfleck (Flavoplaca granulosa = Caloplaca g.) durch Isidien.

Ähnliche Arten
Ähnliche Arten an Kalkfelsen sind der kleinere, meist deutlich weiß bereifte Orangerote Schönfleck (Variospora saxicola = Caloplaca s.) mit kaum zerteilten (gegabelten) Randlappen, der meist größere Mauer-Schönfleck (Caloplaca aurantia) mit auffällig verflachten Lappenenden sowie die Zierliche Gelbflechte (Rusavskia elegans = Xanthoria e.), deren Thallus bis ins Zentrum in schmale, stark gewölbte und mit dem Gestein nicht eng verwachsene Lappen zerteilt ist.

Ökologie
Hepps Schönfleck siedelt direkt auf dem nackten Kalk- oder Dolomitfels, gerne an etwas nährstoffreicheren Standorten (Staubanflug) und verlangt leichte bis volle Besonnung. Die Art besiedelt auch sekundäre Lebensräume wie gemörtelten Backstein, Mauern und Grabsteine.

Verbreitung und Gefährdung
Variospora flavescens ist in Europa, den angrenzenden Teilen Asiens und Afrikas sowie auf den Makaronesischen Inseln verbreitet und findet sich von den Küsten bis in die höheren Gebirge. In Mitteleuropa hat sie ihre Schwerpunkte in den Kalkgebirgen (Kalkalpen, Schwäbische und Fränkische Alb, Muschelkalkgebiete), dringt aber auch ins Flachland vor, wo sie auf kalkhaltige anthropogene Substrate ausweicht. In Österreich und in der Schweiz ist die Art nicht auf den Roten Listen verzeichnet (wobei für die Schweiz gesteinsbewohnende Arten nicht in der Roten Liste behandelt sind). In Deutschland kommt die Flechte in nahezu allen Bundesländern vor und gilt insgesamt als nicht gefährdet. Allerdings wird sie in einigen nördlichen Bundesländern mit unterschiedlichen Gefährdungsgraden (von gefährdet – 3 bis extrem selten – R) auf den Roten Listen geführt.

Parasiten und Medizin
Variospora flavescens ist die Wirtsflechte einer ganzen Reihe flechtenbewohnender Pilze, unter denen Cercidospora caudata, Weddellomyces epicallopisma und Zwackhiomyces coepulonus weitgehend auf Wirte der Sammelgattung Caloplaca beschränkt sind. Ein offenbar auf die Art beschränkter Parasit ist die Flechte Verruculopsis flavescentaria. Über eine medizinische Nutzung ist nichts bekannt.

Anmerkung zur Taxonomie
Die Taxonomie der Teloschistaceae befindet sich im Umbruch. Für Artengruppen der Sammelgattung Caloplaca sind in jüngster Zeit zahlreiche Gattungen vorgeschlagen worden, deren Verwendung mit Ausnahme der zumindest näherungsweise für Mitteleuropa im Umfang geklärten (Calogaya, Gyalolechia (syn. Fulgensia), Leproplaca und Pyrenodesmia) noch nicht allgemein empfohlen, für die Zukunft aber nicht ausgeschlossen werden kann. Zu groß ist aber noch die Zahl der noch nicht evaluierten Arten. Die schon existierenden Synonyme sind bei den einzelnen Arten eingefügt, sodass sich auch entsprechende Synonymblöcke für die zusätzlich vorgeschlagenen Genera ergeben.

Text von Wolfgang von Brackel
Ergänzungen von Roman Türk
 
Die Flechte des Jahres wird vom Naturschutzbund Österreich und der Bryologisch-lichenologischen Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V. ernannt.
 
 
 

 

Zurück

.